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Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Ein letzter Brief von dir (German Edition)

Titel: Ein letzter Brief von dir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Ashton
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Aber ich hätte dich vom Flughafen abgeholt. Oder zumindest einen Wagen geschickt.»
    «Ach was.» Orla zog eine Grimasse im Barockspiegel, der über dem vorsintflutlichen Gasofen hing. «So ein Quatsch. Ich habe zwei Beine und immerhin noch ein halbes Hirn.» Der schmerzliche Verlust hatte aus der anderen Hälfte Brei gemacht. «Ich wohne in Sims Wohnung. Ich dachte, ich sollte dir das sagen, zumal die BBC die Miete übernommen hat. Wahrscheinlich sollte ich es denen ebenfalls sagen.»
    «Das ist doch kein Problem.» Reeces Stimme klang sicher, überzeugt, überlegt. Betont klassenlos auf eine Art, die «Ich war zwar auf keiner Privatschule, aber ich mach was mit Medien» schrie. «Hör mal, ich bin da, wenn du etwas brauchst. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Sim ist sehr wichtig für mich. Nicht nur als Klient. Auch als Freund.»
    «Ich merke, dass du ebenfalls Probleme mit der Vergangenheitsform hast.»
    «Ja. Es fühlt sich …»
    «Illoyal an? Allein zu atmen ist irgendwie illoyal. Ich habe mich wie eine Mörderin gefühlt, als ich sein GQ -Abo gekündigt habe.»
    Reece lachte. Kehlig. Männlich. «Er hat mir erzählt, dass du witzig bist.»
    «Hat er?» Orla mochte Reece sofort. Es war leicht, mit ihm zu reden, aber dennoch schien er Tiefe zu haben, und ganz offensichtlich hatte er Sim gemocht.
Das sollte er auch
, flüsterte die Valentinskarte.
Immerhin hat er zwanzig Prozent bekommen.
    «Er hat mir viel von dir erzählt, Orla. Er hat dich hier furchtbar vermisst.»
    «Ich hätte viel früher kommen sollen.»
    «Ach, weißt du … wir würden uns alle anders verhalten, wenn wir die Zukunft vorhersagen könnten. Hör mal, Orla, ich muss jetzt auflegen. Ein Anruf aus New York auf dem anderen Telefon. Lass uns mal zusammen Mittag essen, ja? Und ruf mich an. Wenn du was brauchst. Egal was.»
     
    Die Kerze flackerte. Ihr zuckender Schein kam nicht bis in die dunklen Ecken des Wohnzimmers. Am Tisch war es so gemütlich wie an einem Lagerfeuer.
    «Du hast also schon angefangen, das sieht man.» Maude goss Rotwein in zwei Gläser. Ein Gagat-Choker glänzte an ihrem Hals. «Das ist das erste Mal seit Monaten, dass die Wohnung tipptopp aussieht.»
    «Ich habe nur die Kleider gefaltet und sie sortiert: Rotes Kreuz. Mülleimer. Ich.» Orla tippte mit den Fingerspitzen die letzten Krümel Käsekuchen von ihrem Teller. Ihr Appetit kam langsam wieder, und sie hatte Maudes Abendessen auf dem Tablett wirklich gern gegessen. «Ein paar Sachen kannte ich gar nicht. Da waren Hemden darunter, die ich noch nie an ihm gesehen habe.»
    «Er war ein ziemlicher Dandy.»
    «Ich habe seine Bücher ebenfalls auf einen Stapel gelegt. Vielleicht kannst du sie in deinem Laden verkaufen? Aber dies hier behalte ich.» Orla griff in ihre Tasche und holte ein Exemplar von
Zwei an einem Tag
heraus. «Wir haben am Telefon darüber gesprochen. Er hat gesagt, er hätte die männliche Hauptrolle spielen sollen.»
    «Hat er das nicht über jede Hauptrolle in jedem Film gesagt?» Maude ließ den Barolo in ihrem Glas kreisen, sodass er heftig gegen die Glaswand schwappte.
    «Ich habe seine Brille weggeworfen.» Sim hatte nie zugegeben, dass er sie brauchte. «Seine Medikamente habe ich entsorgt, die Vitamine behalte ich. Ich behalte auch seinen Laptop. Ich habe seinen Pass eingepackt, seine Geburtsurkunde, seine Brieftasche. Seine Kreditkarten habe ich zerschnitten.» Das hatte sich brutal angefühlt. «Aber eins kann ich nicht finden. Und das irritiert mich. Es sollte hier sein. Er hat jeden Tag etwas hineingeschrieben.»
    «Das Tagebuch? Albernes, großes Lederding, das aussieht, als ob es von Dickens wäre? Das muss hier irgendwo sein. Er hat oft darin geschrieben, wenn ich heruntergekommen bin, um ihm einen Happen zu essen zu bringen.»
    «Du hast ihn gefüttert?»
    «Das klingt jetzt, als wäre er ein Meerschweinchen. Hat er das nie erwähnt? Oh ja, ich habe den Jungen gefüttert. Sonst wäre ich vom Gestank der alten Pizzapappschachteln schon im Flur umgekippt.»
    «Mir hat er erzählt, dass er kochen lernen wollte. Einfache Sachen. Wie Pasta.»
    «Ja, da war mal ein Pastaversuch …» Maude zog eine Grimasse. «Vergessen wir das lieber. Wenn ich Sims Augen gehabt hätte, hätte ich auch erwartet, von einer leichtgläubigen alten Tante verköstigt zu werden.»
    Sim hatte so gern geflunkert. Schon in ihrer Anfangszeit zusammen hatte sie gelernt, dass er ein nebenbei fallengelassenes «Hi, was hast du denn heute so gemacht?» stets mit

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