Ein Liebeslied für dich - Miller, L: Liebeslied für dich
lässt, hörte er Big John O’Ballivan sagen.
Brad lächelte verlegen. Seine Augen brannten, und er musste mehrmals blinzeln. „Ich bin hier, alter Mann“, erwiderte er heiser. „Und ich bleibe, um mich um die Mädchen und die Ranch zu kümmern. Das sollte dich glücklich machen.“
Es kam keine Antwort von seinem Großvater, nicht mal in seinem Kopf.
Doch Brad war nach Reden zumute.
„Ich treffe mich wieder mit Meg McKettrick“, erzählte er. „Damals, als wir jung waren, ist sie von mir schwanger geworden und hat das Baby verloren. Das habe ich gestern erst erfahren.“
Wäre Big John noch am Leben, hätte er ihm jetzt einen Vortrag gehalten. Brad wäre dankbar dafür gewesen, auch wenn der alte Mann sich ihn gehörig vorgeknöpft hätte.
Noch ein Grund, hierzubleiben und dich ums Geschäft zu kümmern, hätte Big John gesagt. Und das wäre nur der Anfang gewesen.
„Du hast es nie begriffen“, fuhr Brad fort, als hätte sein Großvater tatsächlich etwas erwidert. „Wir waren kurz davor, die Stone-Creek-Ranch zu verlieren. Vielleicht wolltest du es nicht einsehen, aber ich musste es. Alles wäre umsonst gewesen, was Sam und Maddie und die O’Ballivans nach ihnen getan haben, um die Ranch zu halten.“
Die McKettricks hätten ihm geholfen, wenn er sie darum gebeten hätte – Meg selbst oder ihre Mutter. So streitlustig der Haufen auf der Triple-M-Ranch auch war, mehr als einmal hatten sie einen Nachbarn vor dem Bankrott bewahrt. Sie hatten Dutzende kleinerer Farmen und Ranches gerettet, als die Rindfleischpreise in den Keller fielen. Dennoch schnürte ihm die Vorstellung, mit dem Hut in der Hand vor ihrer Tür zu stehen, selbst nach so langer Zeit den Hals zu.
Obwohl die Erde hart, nass und kalt war, setzte er sich nieder und starrte durch den Dunstschleier auf das Grab seines Großvaters. Er hatte einen hohen Preis für seinen Stolz bezahlt, und sein Erfolg als Countrysänger änderte daran gar nichts.
Er hatte die Jahre verloren, die er vielleicht mit Meg hätte verbringen können und mit den Kindern, die sie zusammen bekommen hätten. Er war nicht hier gewesen, als Big John ihn gebraucht hatte – genau wie seine Schwestern, auch wenn die drei jetzt alle gut ausgebildete, unabhängige Frauen waren. Sicher, Big John hatte sie geliebt und beschützt, aber das machte es nicht besser. Er hätte für Olivia, Ashley und Melissa der große Bruder sein müssen.
Brad war so sehr in seine Erinnerungen vertieft, dass er das Motorengeräusch zwar hörte, aber nicht den Kopf hob. Dann wurde es wieder still, und eine Wagentür fiel ins Schloss.
„Hallo“, sagte Olivia leise.
„Hallo“, erwiderte er, drehte sich jedoch noch immer nicht nach seiner ältesten Schwester um.
„Willie geht es besser. Ich habe ihn im Wagen.“
„Das ist gut. Dann sollte ich wohl in die Stadt fahren und Futter besorgen.“
„Ich habe alles mitgebracht, was er in der nächsten Zeit braucht“, sagte sie leise und setzte sich neben ihn. „Vermisst du Big John?“
„Jeden Tag“, gab Brad zu. Ihre Mutter war fortgegangen, als die Zwillinge kaum laufen konnten. Ihr Vater war ein Jahr später ums Leben gekommen, als er bei Gewitter eine verängstigte Rinderherde zusammengetrieben hatte. Big John hatte die vier kleinen Enkelkinder großgezogen.
„Ich auch. Fragst du dich je, was aus Mom geworden ist?“
Brad wusste, wo Della O’Ballivan war – sie lebte in einer Wohnwagensiedlung außerhalb von Independence in Missouri zusammen mit dem vorläufig letzten in einer langen Reihe permanent betrunkener Männer. Doch das hatte er seinen Schwestern verschwiegen, denn es war eine zu traurige Geschichte. Erzählt hatte sie ihm der Privatdetektiv, den er mit den Einnahmen seines ersten Hits dafür bezahlt hatte, Informationen über seine Mutter zu ermitteln.
„Nein“, antwortete er ehrlich, „das frage ich mich nie.“ Er hatte Della besucht. Auch sie war betrunken gewesen und hatte sich mehr für seine Karriere und sein Geld als für ihn selbst interessiert. Sie hatte nicht einmal nach ihren Töchtern oder ihrem Ehemann gefragt.
Olivia seufzte. „Wahrscheinlich ist sie tot.“
Leben konnte man das, was Della tat, kaum nennen. „Ja, wahrscheinlich.“ Seine Mutter meldete sich nur, wenn sie Geld brauchte. Er überließ es seinem Steuerberater, ihr hin und wieder einen Scheck zu schicken.
„Deshalb will ich nicht heiraten, weißt du“, gestand seine Schwester, „weil ich vielleicht so wie sie werde. Vielleicht
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