Ein Liebhaber wie Tony
dem, was er meint, herauszubekommen.«
»Das könntest du aber auch tun, Mom«, bemerkte Brian mit der klaren Logik, die Kinder mitunter an den Tag legen.
»Touché«, antwortete Sharon und küsste erst Brian, dann Marc.
Marc verzog das Gesicht, ersparte ihr aber seinen sonst üblichen Kommentar. »Wie sollen wir Onkel Michael ein Geburtstagsgeschenk kaufen können, wenn wir Hausarrest haben?«, fragte er, als Sharon Anstalten machte, die Küche zu verlassen.
»Grandma hat uns doch gesagt, dass die Feier verschoben werden muss, weil Onkel Michael nicht in der Stadt ist und Daddy andere Pläne fürs Wochenende hat«, belehrte Brian ihn in einem Ton, der nur für kleine Brüder und ähnlich niedere Lebewesen reserviert war. »Junge, bist du doof.«
Sharon schloss die Augen. Sie versuchte sich einzureden, dass ihr Tonys Verabredung am Wochenende völlig egal war, aber es funktionierte nicht. Und würde auch nie funktionieren.
Marc hatte nicht vor, die Bemerkung seiner Schwester auf sich sitzen zu lassen. »Deshalb hat Onkel Michael aber immer noch am Samstag Geburtstag, wir müssen ihm trotzdem ein Geschenk kaufen, und du gehst mir mit deinem Gerede gehörig auf den Wecker, Brian Morelli.«
Sharon erinnerte sich daran, dass es rechtmäÃig Tonys Aufgabe war, sich um die beiden zu kümmern. Also winkte sie noch einmal zum Abschied und ging zur Tür.
Inzwischen hatte sich die Auseinandersetzung zu einem handfesten Streit entwickelt, der wahrscheinlich nur noch durch Friedensverhandlungen geschlichtet werden konnte. Mrs Harry, die Haushälterin, würde die beiden schon davon abhalten, sich gegenseitig umzubringen, bis Tony zurückkam.
Sharon hatte die Leiter vorher schon aus der Garage geholt und verstaute sie, zusammen mit einer alten Jeans und zwei alten Arbeitshemden, die sie aus Tonys Schrank entwendet hatte, im Auto.
Die Veränderung der Sharon Morelli und ihrer Umgebung konnte beginnen.
Zweieinhalb Stunden später hatte Sharon alle Möbel in ihrem Apartment weggerückt und abgedeckt. Jede Lichtschalter- und Steckdosenverkleidung war abmontiert, der FuÃboden mit Zeitungspapier ausgelegt. Langsam fing Sharon an, ihren Entschluss zu bedauern, und wünschte, sie hätte alles beim alten gelassen. Es klopfte heftig an der Tür.
Mein Essen wird geliefert, dachte Sharon und öffnete. Tony stand im Hausflur und bezahlte den Jungen vom China-Restaurant. Den Karton mit Reis und süÃsaurem Hühnchen hatte Tony schon in der Hand.
Sharon entriss sie ihm, ging in die Küchennische und nahm Löffel und Gabel aus einer Schublade.
»Oh, du bist immer noch da?«, fragte sie freundlich, als sie sich umdrehte und Tony vor ihr stand. Er hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt und die Arme vor der Brust verschränkt.
»Nein.« Der Blick, mit dem er Sharon bedachte, erregte sie. »Ich bin nur eine Illusion, hervorgerufen durch den geschickten Einsatz von Spiegeln.«
»Ich wünschte, es wäre so«, sagte sie leise und marschierte an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Das Zeitungspapier raschelte unter ihren FüÃen. Sie wusste, dass sie nicht gerade todschick aussah mit der alten Jeans, den schmutzigen Schuhen, dem Hemd, das ihr bis übers Knie reichte, und dem Kopftuch. Aber im flieÃenden Kaftan konnte man schlecht Wände und Decken streichen.
Tony folgte ihr. Das Apartment war viel zu klein für seine Ausstrahlung.
Sharon wünschte, er würde gehen, war aber gleichzeitig froh, dass er es nicht tat.
»Setz dich.« Sie machte eine groÃzügige Geste. Dann fiel ihr ein, dass beide Stühle und die Couch abgedeckt waren. Also setzte sie sich wie ein Indianer auf den FuÃboden.
Tony gesellte sich zu ihr und hob die rechte Hand. »How, reich die Friedenspfeife und das Feuerwasser herum.«
Sharon lächelte und fing an zu essen.
»Würde ich gern machen«, sagte sie zwischen zwei Bissen. »Aber ich bin schrecklich hungrig.«
Tonys Blicke wanderten über ihre Rundungen. Sharons Bemerkung lieà er unbeantwortet im Raum stehen.
Sharon wurde verlegen und spieÃte schnell ein Stück Hühnchen auf die Gabel. »Bist du aus einem bestimmten Grund hier?«
Tony sah sich im Raum um. »Ich bin gekommen, um dir beim Streichen zu helfen.«
Sie seufzte. »Tonyâ¦Â«
Er beobachtete ihren Mund, was sie als sehr störend empfand. »Ja?« Tonys Stimme
Weitere Kostenlose Bücher