Ein Liebhaber wie Tony
zu durchleben, war die einzige Möglichkeit, es zu bewältigen.
Helen sah sie freundlich an.
»Was ist passiert, Sharon?«, fragte sie. Als sie keine Antwort bekam, fuhr sie fort: »Ich weiÃ, es geht mich nichts an, aber ich habe noch nie zwei Menschen gesehen, die sich so sehr lieben wie du und Tony. Und trotzdem seid ihr voneinander geschieden und unfähig, ein zivilisiertes Mittagessen zusammen einzunehmen.«
Sharon schwieg beharrlich und hoffte, dass Helen das Thema fallen lassen würde.
So einfach machte Helen es ihr aber nicht. »Du gehst ihm über alles, Sharon. Jeder kann das sehen, warum nicht auch du?«
Die Zahlen auf den Rechnungen verschwammen vor Sharons Augen. Sie beschloss, Helens Bemerkung über Tonys Gefühle zu ignorieren. »Du weiÃt, dass meine Mutter mich gleich vor dieser Heirat gewarnt hatte. Tony war damals schon sehr erfolgreich, und Bea fand, ich passe nicht in diese Gesellschaftsklasse. Tony würde bald genug von mir haben und mit anderen Frauen ausgehen.«
Helen explodierte beinahe. Sharon brauchte ihre Freundin gar nicht erst anzusehen, um das zu bemerken.
»Entschuldige meine Offenheit, aber was, zum Teufel, weià deine Mutter schon? Wer ist sie? Frau Irene?« Helen hielt kurz inne. »Tony hat dich nie betrogen, oder?«
»Nein, aber er ist meiner müde geworden. Ich bin sicher, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, wann er sich mit anderen Frauen eingelassen hätte.«
»Woher weiÃt du, dass er dich satthatte? Hat er es dir gesagt?«
»Nein«, antwortete Sharon traurig und zugleich nachdenklich. »Das war auch nicht nötig. Er hatte angefangen, immer mehr zu arbeiten, und wenn wir uns sahen, gab es nur Streit. Genau wie heute.«
»Worüber habt ihr euch denn immer gestritten?«, fragte Helen beharrlich weiter.
Sharon sah sich im Laden um. Ihr Blick streifte über die teuren Stücke, die nur aus den feinsten Materialien hergestellt waren. »Meist über das âTraumlandâ.« Damit war das Thema für sie beendet. Sie nahm ihre Tasche und ging zur Tür.
5. KAPITEL
Tony schlug mit der Faust auf die Kofferhaube des Kleintransporters, der den Schriftzug der Firma trug, und fluchte. Gerade hatte er, Tony, einen der besten Vorarbeiter des Baugeschäftes gefeuert, und nun musste er seinen Stolz hinunterschlucken und sich bei dem Mann entschuldigen. »Tony?«
Er erstarrte, dann drehte er sich um und sah seinem Vater in die Augen. »Du weiÃt es schon?«
Vincent Morelli war ein Mann von mittlerer Statur und GröÃe, strahlte aber sehr viel Würde aus. Im Alter von fünfzehn Jahren hatte er eine Ausbildung zum Zimmermann begonnen. Fünfzig Jahre später übergab er seinen Söhnen ein blühendes Unternehmen.
»Jeder weià es«, antwortete er. »Wie ist das passiert, Tony?«
Tony fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
»Ich bin mir nicht sicher, Papa«, gab er zu und blickte auf die lange Reihe von Eigentumswohnungen, die sich gerade im Bau befanden. »Fest steht nur, es war meine Schuld. Ich habe überhaupt in letzter Zeit sehr viele Fehler gemacht.«
Vincent kam zu ihm und stellte einen Fuà auf die StoÃstange des Lieferwagens.
»Ich höre dir zu«, sagte er.
Tony hatte diese Worte seit frühester Kindheit von seinen Eltern gehört, und er wusste, dass sie ernst gemeint waren. Er war dankbar für die solide, vernünftige Erziehung, die er genossen hatte, und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie seinen Kindern auch geben zu können.
»Es ist Sharon«, begann er. »Und die Kinder, einfach alles.«
Vincent wartete, dass Tony weitersprach.
»Ich wollte die Scheidung nicht.« Er erzählte seinem Vater nichts, was der ohnehin schon wusste. Vincent hatte den Kummer und den Schmerz gesehen, den Tony vor Sharon so sorgsam versteckt hatte. »Seit der Trennung habe ich ständig versucht, einen Weg zu finden, alles rückgängig zu machen. Papa, ich kann noch nicht einmal mit dieser Frau reden, ohne dass sie böse auf mich wird.«
Sein Vater lächelte traurig. Er hatte Sharon immer gemocht und sie auch unterstützt, als sie etwas Eigenes machen wollte. Nach seiner Ãberzeugung war für Sharon die Eröffnung des »Traumlandes« nur ein Weg, sich selbst zu prüfen. Tony hingegen hatte es von Anfang an als Blödsinn abgetan.
»In vielen Sachen, Tony, kommst du zu sehr
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