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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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vertraut?«
    »Einspruch!«, ruft Angela. »Der Herr Rechtsanwalt bezieht sich auf einen Sorgerechtsfall. Hier geht es jedoch um eine Eigentumsfrage.«
    »Abgelehnt«, sagt Richter O’Neill. »Worauf wollen Sie damit hinaus, Mr. Preston?«
    »Im Fall Burrows gegen Brady hat der Oberste Gerichtshof des Staates Rhode Island entschieden, dass jeder Elternteil eines geschiedenen Paares das Recht hat, ein gemeinsames Kind in dem Glauben zu erziehen, den es für das Kind für richtig erachtet. Dann wäre da noch der Fall Pettinato gegen Pettinato , in dem festgestellt wurde, dass der moralische Charakter jeden Elternteils in Betracht gezogen werden muss …«
    »Will der Herr Rechtsanwalt dem Gericht etwa vorschreiben, wie es seinen Job zu machen hat?«, unterbricht Angela ihn. »Oder haben Sie tatsächlich eine Frage an meine Mandantin?«
    »Ja«, erwidert Wade, »ich habe da tatsächlich eine Frage. Miss Baxter, Sie haben ausgesagt, dass Sie mehrere Fruchtbarkeitsbehandlungen hinter sich haben, die alle in einer Katastrophe geendet sind, korrekt?«
    »Einspruch …«
    »Ich werde mich anders ausdrücken. Sie haben nie ein Kind ganz ausgetragen, nicht wahr?«
    »Nein«, bestätige ich.
    »Genau genommen hatten Sie zwei Fehlgeburten.«
    »Ja.«
    »Und dann die Totgeburt.«
    Ich schaue in meinen Schoß. »Ja.«
    »Ist Ihre Aussage korrekt, dass Sie sich schon immer ein Kind gewünscht haben?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Euer Ehren«, seufzt Angela, »all diese Fragen sind doch schon längst gestellt und beantwortet worden.«
    »Miss Baxter«, fährt Wade unbeirrt fort, »warum haben Sie im Jahre 1989 dann Ihr eigenes Kind ermordet?«
    »Was?«, erwidere ich schockiert. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie da reden …«
    Das ist gelogen, und Wades nächste Worte bestätigen, was ich befürchte. »Haben Sie nicht freiwillig abtreiben lassen, als Sie neunzehn Jahre alt waren?«
    »Einspruch!« Angela springt auf. »Das ist vollkommen irrelevant und ereignete sich weit vor der Hochzeit meiner Mandantin, und ich beantrage, dass das sofort auf dem Protokoll gestrichen wird …«
    »Das ist sogar sehr relevant«, widerspricht ihr Wade. »Das erklärt ihren heftigen Wunsch, unbedingt ein Kind bekommen zu wollen. Sie will vergangene Sünden wiedergutmachen.«
    »Einspruch!«
    Meine Hände sind taub.
    Im Zuschauerraum erhebt sich eine Frau. »Kindermörderin!«, schreit sie, und das reicht, um den Damm zu brechen. Alle schreien sie jetzt – die Westboro-Leute und die Gemeindemitglieder der Eternal Glory Church. Der Richter ruft sie zur Ordnung, und gut zwanzig Zuschauer werden aus dem Saal entfernt. Ich frage mich, was Vanessa draußen wohl denkt.
    »Mr. Preston, Sie dürfen Ihre Befragung fortsetzen, aber ohne Kommentare«, sagt Richter O’Neill. »Und was die Zuschauer betrifft … Sollte es noch zu einer einzigen Störung kommen, werde ich die Öffentlichkeit ausschließen.«
    Ja, antworte ich ihm, ich hatte eine Abtreibung. Ich war neunzehn Jahre alt und auf dem College. Es war nicht der richtige Zeitpunkt für ein Kind. Ich dachte – dumm wie ich war –, dass ich noch viele andere Gelegenheiten haben würde.
    Als ich fertig bin, fühle ich mich vollkommen ausgebrannt. Ich habe nur ein einziges Mal offen über diese Prozedur gesprochen, und zwar in der Kinderwunschklinik, als ich wohl oder übel meine gynäkologische Geschichte offenbaren musste. Das ist jetzt zweiundzwanzig Jahre her, doch plötzlich fühle ich mich wieder genauso, wie ich mich damals gefühlt habe: völlig verunsichert und zutiefst verlegen.
    Und wütend.
    Die Klinik hat mit Sicherheit nicht das Recht gehabt, Wade Preston diese Information zu geben. Das heißt, sie muss von dem einzigen anderen Menschen kommen, der an dem Tag dabei war, als ich mich offenbaren musste.
    Max.
    »Gibt es einen Grund, warum Sie dem Gericht diese Information verschwiegen haben?«, verlangt Wade zu wissen.
    »Ich habe gar nichts verschwiegen …«
    »Könnte es vielleicht daran liegen, dass diese Information Sie ein wenig unglaubwürdig erscheinen lässt, wenn Sie unter Tränen Ihren Kinderwunsch beteuern?«
    »Einspruch!«
    Wade Preston bleibt unnachgiebig. »Ist Ihnen je der Gedanke gekommen, dass Ihre Unfruchtbarkeit vielleicht Gottes Strafe dafür ist, dass Sie Ihr erstes Kind ermordet haben?«
    Angela ist außer sich vor Wut und deckt Wade mit einem wahren Sturm von Einsprüchen ein. Doch selbst, nachdem er seine Frage wieder zurückgezogen hat, schwebt sie drohend

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