Ein Lied für meine Tochter
hinterher, während sie in die Gemüseabteilung zu den Bioprodukten geht. »Erinnerst du dich noch daran, wie unsere Kosten für Lebensmittel sich in der Woche vervierfacht haben, als du beschlossen hast, nur noch Bioprodukte zu essen?«, frage ich.
»Ja. Jetzt beschränke ich mich auf Biotrauben und Biosalat«, erwidert sie. »Man lernt nie aus, stimmt’s?«
Eine Scheidung ist schon was Seltsames. Zoe und ich waren fast ein Jahrzehnt lang zusammen. Ich habe mich in sie verliebt, habe mit ihr geschlafen und wollte eine Familie mit ihr gründen. Es gab eine Zeit – auch wenn das lange her ist –, da kannte sie mich besser als jeder andere auf der Welt. Ich will nicht über Essen mit ihr reden. Ich will sie fragen, wie es dazu kommen konnte, dass wir früher miteinander getanzt haben und uns jetzt verlegen im Supermarkt gegenüberstehen und Smalltalk betreiben.
Doch dann kommt Elkin mit dem Einkaufswagen. »Hey, wir sind fertig.« Er reißt den Kopf zu Zoe herum. »Hi.«
»Zoe, das ist Elkin. Elkin, Zoe.« Ich schaue sie an. »Wir haben heute Abend ein Gemeindeessen. Alles hausgemacht. Du solltest kommen.«
Irgendetwas gefriert hinter ihren Augen. »Ja. Vielleicht.«
»Nun denn.« Ich lächele sie an. »Es war schön, dich zu sehen.«
»Dich auch, Max.« Sie schiebt ihren Wagen an mir vorbei und gesellt sich zu Vanessa, die inzwischen am Schweizer Käse angekommen ist. Ich sehe, wie die beiden aufgeregt miteinander reden, doch ich bin zu weit entfernt, um sie zu verstehen.
»Lass uns gehen«, sagt Elkin. »Unsere Frauengruppe wird sauer, wenn wir nicht rechtzeitig wieder zurück sind.«
Während Elkin die Waren auf das Kassenband legt, versuche ich herauszufinden, was genau ich an Zoe als komisch empfunden habe. Ich meine, sie sah großartig aus, und sie klang glücklich. Offensichtlich hat sie neue Freunde gefunden, genau wie ich auch. Und trotzdem stimmte irgendetwas nicht, irgendetwas, auf das ich einfach nicht den Finger legen kann. Während die Kassiererin unsere Einkäufe scannt, schaue ich mich um, um Zoe vielleicht noch einmal zu sehen.
Dann gehen wir zu meinem Truck und laden die Einkäufe ein. Es beginnt zu regnen. »Ich bringe den Einkaufswagen zurück«, brüllt Elkin und schiebt den Wagen wieder ins Gebäude. Ich will gerade einsteigen, als Zoe mich aufhält.
»Max!« Sie läuft aus dem Laden, und ihr Haar flattert hinter ihr her wie ein Papierdrache. Der Regen schlägt ihr ins Gesicht und durchnässt ihr Sweatshirt. »Es gibt da etwas, was ich dir sagen muss.«
Bei unserer fünften Verabredung sind wir zum Camping in die White Mountains gefahren. Ich hatte mir das Zelt von einem Kerl geliehen, dessen Rasen ich gemacht hatte. Aber als wir ankamen, war es schon dunkel, und es schüttete wie aus Eimern, sodass wir den Campingplatz nicht fanden, und wir mussten unser Zelt im Wald aufschlagen. Schließlich krochen wir hinein, zogen den Reißverschluss hinter uns zu und hatten uns gerade ausgezogen, als das Zelt über uns zusammenbrach.
Zoe brach in Tränen aus. Sie rollte sich auf dem verschlammten Boden zusammen, und ich legte ihr die Hand auf die Schulter. Ist schon okay , sagte ich zu ihr, obwohl das gelogen war. Ich konnte den Regen nicht aufhalten. Ich konnte nichts dagegen tun. Zoe drehte sich um und schaute mich an, und da merkte ich, dass sie lachte, nicht weinte. Sie lachte so sehr, dass sie keine Luft mehr bekam.
Ich glaube, in diesem Augenblick wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen wollte.
Später, wenn Zoe jedes Mal weinte, nachdem sie erfahren hatte, dass sie wieder nicht schwanger war, da schaute ich immer zweimal hin und hoffte, etwas anderes als Tränen in ihren Augen zu sehen. Doch das war nie der Fall.
Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet jetzt daran denke, während der Regen ihr Haar glättet und das Leuchten ihrer Augen betont. »Diese Frau, mit der ich hier bin«, sagt Zoe, »Vanessa. Sie ist meine neue Partnerin.«
Als wir noch verheiratet waren, hat Zoe immer gesagt, wie schwer es sei, Menschen zu finden, die wissen, wie sinnvoll Musiktherapie als Heilmethode ist, und wie schön es wäre, eine Community von Therapeuten vor Ort zu haben, so wie sie es damals während des Studiums hatte. »Das ist toll«, sage ich, denn das scheint sie hören zu wollen. »Du wolltest ja schon immer mit jemandem zusammenarbeiten.«
»Du verstehst nicht. Vanessa ist meine Partnerin .« Sie zögert. »Wir sind zusammen .«
In diesem
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