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Ein Lied für meine Tochter

Ein Lied für meine Tochter

Titel: Ein Lied für meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Augenblick wird mir klar, was mir im Laden so sonderbar vorkam. Zoe und diese Frau waren mit nur einem Wagen einkaufen. Wer geht schon gemeinsam in einen Supermarkt, wenn man nicht auch einen gemeinsamen Kühlschrank hat?
    Ich starre Zoe an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bekomme Kopfschmerzen, und gleichzeitig höre ich die Worte:
    Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben.
    So steht es in 1 Korinther, 6:9–10, und für mich zeigt das eindeutig, wie Gott über einen homosexuellen Lebensstil denkt. Ich öffne den Mund, um Zoe das zu sagen, doch stattdessen sage ich: »Aber du warst doch mit mir zusammen.« Denn das sollte sich doch eigentlich ausschließen … oder?
    Elkin hämmert gegen die Seite des Trucks, damit ich ihn reinlasse und er aus dem Regen kommt. Ich drücke den Knopf auf meinem Zündschlüssel und höre, wie die Tür sich öffnet und wieder schließt, aber ich stehe noch immer da wie benommen von Zoes Enthüllung.
    Ich bin auf so vielen Ebenen wie gelähmt, dass ich sie kaum zählen kann. Ich stehe unter Schock. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie neun Jahre lang ihre Beziehung mit mir nur gespielt hat. Und es tut weh, denn obwohl wir geschieden sind, kann ich den Gedanken einfach nicht ertragen, dass sie bei Christi Rückkehr zurückgelassen werden wird. Diesen Schrecken wünsche ich niemandem.
    Elkin drückt auf die Hupe, sodass ich zusammenzucke. »Nun denn«, sagt Zoe mit jenem halben Lächeln, in das ich mich einst täglich neu verliebt habe. Sie dreht sich um und rennt zum Ladeneingang zurück, wo Vanessa mit dem Wagen auf sie wartet.
    Beim Laufen rutscht ihr die Handtasche von der Schulter und bleibt an ihrem Arm hängen. Während Zoe den Wagen auf den Parkplatz schiebt, zieht Vanessa die Handtasche wieder hoch.
    Es ist eine beiläufige, intime Geste. Früher hätte ich das für Zoe getan.
    Ich kann mich einfach nicht von dem Anblick losreißen, wie sie die Lebensmittel in ein mir unbekanntes Auto laden, ein altes Cabrio. Ich starre meine Exfrau, die neuerdings lesbisch ist, weiter an, obwohl ich inzwischen vollkommen durchnässt bin und sie im strömenden Regen kaum noch erkennen kann.
    Die Eternal Glory Church ist in der Aula einer Schule beheimatet, doch das Büro befindet sich in einer kleinen, ehemaligen Anwaltskanzlei neben einem Dunkin’ Donuts. Es gibt einen kleine Wartebereich mit einer Empfangsdame, eine Kopiermaschine, einen kleinen Tisch, eine Kaffeemaschine, eine Kapelle und natürlich ein Büro für Pastor Clive.
    »Du kannst jetzt reingehen«, sagt Alva, seine Sekretärin. Sie ist klein und krumm wie ein Fragezeichen, und sie hat kurzes, lockiges graues Haar. Reid scherzt, sie sei schon vor der Sintflut hier gewesen, und irgendwie scheint mir, das könnte stimmen.
    In Pastor Clives Büro ist es warm und man sieht ihm an, dass es intensiv genutzt wird. Dort stehen Sofas mit floralen Mustern und auch ansonsten reichlich Pflanzen sowie ein Regal mit erbaulichen Texten. Auf einem Lesepult liegt eine übergroße, offene Bibel, und hinter dem Schreibtisch hängt ein Bild von Jesus auf einem Phönix, der sich aus seiner Asche erhebt. Pastor Clive hat mir mal erzählt, dass Christus ihm in einem Traum erschienen sei und ihm gesagt habe, seine Gemeinde würde wie der mythische Vogel sein und sich aus einem Sündenpfuhl in den Stand der Gnade erheben. Am nächsten Morgen war Pastor Clive sofort losgezogen und hatte das Bild in Auftrag gegeben.
    Der Pastor steht über eine Grünlilie gebeugt, die schon bessere Tage gesehen hat. Die Blattspitzen sind braun und verwelkt. »Egal, wie sehr ich mich um dieses kleine Ding auch bemühe«, sagt er, »sie scheint stets zu sterben.«
    Ich betrachte die Pflanze und stecke den Finger in die Erde, um zu sehen, ob sie auch genügend Wasser hat. »Gießt Alva sie?«
    »Ja, und das ausgesprochen gewissenhaft.«
    »Aber mit Leitungswasser nehme ich an. Grünlilien reagieren empfindlich auf die Chemikalien, die in unserem Leitungswasser sind. Wenn sie destilliertes Wasser nimmt und die verwelkten Blattspitzen abschneidet, ist bald alles wieder grün und gesund.«
    Pastor Clive lächelt mich an. »Du bist wirklich ein Gottesgeschenk, Max.«
    Als ich diese Worte höre, spüre ich eine wohlige Wärme in mir. Ich

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