Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
Vom Netzwerk:
auf die Bank und sang mit.

    Dann war es wirklich dunkel, und das Feuer brannte allmählich herunter. Es wurde nicht mehr gesungen, sondern ein leichtes Schweigen senkte sich auf den sommerlichen Garten. Einige Gäste waren schon gegangen, und nur zwei der jüngeren Freunde Georgs aus der Fahrtengruppe, die er geleitet hatte, waren neben Paul, Luana und Luise noch da. Sie saßen um die wabernde Glut, aus der ab und zu Funken stoben und in einer Wolke nach oben stiegen, wenn ein Stück glühendes Holz knisternd auseinanderfiel. Paul unterhielt sich leise mit den beiden Jungen. Georg saß zwischen Luana und Luise. Manchmal schob er mit einem Stock die glimmenden Holzstücke vom Rand in die Mitte der Glut, dann brannte das Feuer noch einmal auf. Von jenseits der Mauer konnte man Lieder hören und entferntes Lachen.
    »Solche Tage sind selten geworden.« Luise hatte laut gedacht.
    Georg nickte nachdenklich, dann sagte er: »Man muss sich die Tage so machen. Sie kommen nicht von allein.«
    Luana stand auf und holte sich von der Holunderlimonade, die Georg viel zu süß gemacht hatte, wie sie Luise zwei Stunden vorher lachend ins Ohr geflüstert hatte. Als sie zum Feuer zurückkam, setzte sie sich neben Paul. Der legte den Arm um sie, ohne seine Unterhaltung zu unterbrechen.
    Luise lehnte sich zurück und blickte in den Nachthimmel. Er hatte sich bezogen, aber man konnte den Mond milchig durch die dünnen Wolken leuchten sehen. Sie war nicht oft nachts geflogen, doch es hatte einen großen Zauber gehabt, das schlafende Land von oben zu betrachten. Nachts schimmerten die Flüsse dunkel. Nachts wirkten Wälder undurchdringlich und wie aus alten Zeiten. Nachts verloren sich die Dörfer mit ihren wenigen Lichtpunkten im Dunkel und alles, was menschengemacht war, hatte fast keine Bedeutung mehr.
    »Sehnst du dich nach München?«, fragte Georg unvermittelt und leise, doch Luise schrak trotzdem zusammen.
    Dann schüttelte sie den Kopf. »Nicht nach München. Nach dem Fliegen.«
    Georg räusperte sich. Wieder stocherte er mit dem Stock im Feuer. Funken stoben ärgerlich um das Ende des Stocks.
    »Kommt Greben … seid ihr noch verlobt?«
    Luise war überrascht, dass Georg sich an Grebens Namen erinnerte, aber mehr noch, dass er von ihrer Verlobung wusste.
    Sie schüttelte wieder den Kopf. Georg wartete geduldig. Er hatte den Stock im Feuer liegen lassen, und die Spitze fing an zu brennen.
    »Ich glaube, ich war in den Flieger Greben verliebt«, sagte Luise dann. Es war leichter zu reden, wenn man nebeneinander saß und sich nicht in die Augen sehen musste. »In den Flieger und in dieses neue Leben. Es war alles aufregend. Ich war jeden Tag auf dem Flugplatz. Wenn ich die Stunden nicht bezahlen konnte, hat Greben mich ab und zu mitgenommen.« Sie lachte leise. »Er hat mir die tollsten Tricks beigebracht. Und ich habe ihn überallhin begleitet. Ins Kino. Zu Autorennen. Zu den Parteiabenden und zu den Aufmärschen. Und es war so ungeheuer aufregend. Ich habe mich in das alles gestürzt wie in einen Fluss.«
    »Ein SA-Mann«, sagte Georg, und sie hörte die Verbitterung und den Ärger in seiner Stimme.
    Luise wollte aufbrausen, aber dann hielt sie sich zurück. »Das war anders, damals. Die waren da so wie wir bei den Bündischen. Die haben zusammengehalten. Denen hat Ehre genauso viel bedeutet wie uns. Und deine Genossen, die waren da nicht anders als die SA.«
    Jetzt war es Georg, der zornig auffuhr. »Wie kannst du so was sagen? Das kann man doch nicht vergleichen! Das sind … die sind alle Verbrecher! Weißt du, was sie mit den unseren in Dachau machen? Totgeschlagen werden sie!«
    Paul sah von seinem Gespräch zu ihnen herüber. »Sch«, machte er warnend, »nicht so laut.«
    Luise schwieg einen Augenblick, bis Georg sich etwas beruhigt hatte. Dann sagte sie: »Ja. Ich weiß. Aber damals war das anders. Ich war mal dabei, als die Kommunisten eine Veranstaltung von der Partei gesprengt haben. Die sind da reingekommen mit Totschlägern und Schlagringen, mit Stuhlbeinen und Revolvern. Zwei Tote hat es bei der SA gegeben, und ich weiß nicht, wie viele Verletzte. Was hättet ihr denn mit denen gemacht, wenn ihr gewonnen hättet? Wenn ihr heute die Macht hättet?«
    Georg setzte an, etwas zu sagen, aber dann blieb er doch erst still. Schließlich sagte er leise, aber immer noch zornig: »Ich schlage niemanden tot.«
    Luise legte ihm die Hand auf den Arm. Sie hatte nicht gewollt, dass die Unterhaltung diese Richtung nahm, schon gar

Weitere Kostenlose Bücher