Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
wiedererkannt, wenn ich Sie gehabt hätte.“
„Ah, Mylord! Das nenne ich in der Tat offene Worte!“ Mit einer solchen Wendung des Gesprächs hatte sie nicht gerechnet. Er hielt sie für ein leichtes Vögelchen. Nun ja, eigentlich hatte sie darauf abgezielt, hätte aber nicht ge glaubt, dass es sie derart ärgern würde, wenn er es ihr abnahm, und sie wurde umso wütender, je länger sie darüber nachdachte. Der Earl of Rasenby war ein arrogantes Ekel und verdiente eine Abfuhr. Sie vergaß völlig, warum sie hier war, und ließ ihrem Ärger freien Lauf, der noch gesteigert wurde, da sie hier, mitten im Ballsaal, schlecht die Stimme erheben konnte. „Sir, ich staune über Ihre Arroganz! Und bemitleide meine … meine armen Schwestern, wie Sie sie zu nennen belieben, die zwangsläu fi g mit Ihnen verhandeln müssen, denn offensichtlich sind Sie ein harter Brocken. Ich kann nur hoffen, Sie zahlen Ihre Schuld tatsächlich immer gleich – und in voller Höhe!“
„Was um Himmels willen meinen Sie? Ich zahle, und großzügig dazu. Aber ich lasse mich nicht erpressen; welch armseligen Plan Sie also hegen mögen, geben Sie ihn auf.“ Kit war mittlerweile eher verärgert als interessiert. Er mochte nicht den besten Ruf haben, doch auf eines war er stolz, nämlich dass er die Damen, deren Gunst er genoss, überreich entschädigte und dass seine Amouren ohne Folgen blieben. Seines Wissens hatte er keine unehelichen Kinder. Die Ironie des Umstands, dass ausgerechnet er mit seinem kohlschwarzen Charakter in dieser Hinsicht den reinsten Stall hatte, trug zu seiner Abneigung gegen die Gesellschaftsschicht, der er angehörte, bei. Er stellte Ansprüche, war aber auch viel generöser als andere seinesgleichen, was, wie ihm gerade klar wurde, nur ein schwacher Grund zum Stolz war.
„Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass Geld nicht alles ist, Lord Rasenby? Das einige dieser armen Geschöpfe, die Sie bezahlen und ablegen, auch Gefühle haben könnten? Dass sie sich vielleicht mehr erhoffen als Pelze und Juwelen?“
Darauf lachte Kit nur. „Es kommt mir nicht in den Sinn, weil jedes Gefühl auf der Welt mit Geld aufgewogen werden kann. Ich sollte es wohl wissen.“ Als er ihren indignierten Blick traf, empfand er leichtes Mitgefühl. Ob da doch ein wenig Unschuld sein mochte? Nein, bestimmt schauspielerte sie nur wieder – allerdings war ihm eine solche mimische Glanzleistung nie zuvor untergekommen. „Ich versichere Ihnen, Madam, der Typ Frauen, mit dem ich mich abgebe, kennt keine Gefühle. Und aufgesetzte Gefühlsduselei spricht mich nicht an. Ich halte mich an die eher physische Seite der Angelegenheit, und die ist, falls Sie es noch nicht wissen sollten, nie von Dauer. Daher glaube ich nicht, dass ich bei jemandem in der Schuld stehe.“
Aus irgendeinem Grund verstörte diese Aussage Clarissa mehr als sogar das, was Tante Constance über seinen Charakter behauptet hatte, mehr noch als Lord Rasenbys offene, fast schon grobe Auslassungen. Der Mann besaß keinen Funken Gefühl. Sie fragte sich, woraus dieser tief verwurzelte Zynismus entsprang. „Wenn Sie wirklich so fühlen, können Sie mir nur leid tun, Mylord.“ Sie berührte teilnahmsvoll seinen Arm.
Unwillig schüttelte Kit sie ab. Ihr waren doch tatsächlich die Augen feucht geworden! Was bildete sie sich ein, sein Verhalten zu kritisieren und ihm gönnerhaft tränengeschwängertes Mitgefühl zu erweisen? „Ihre Anstrengungen sind verschwendet, Madam, und ich fürchte, auch Ihre Worte, was Ihre Pläne angeht, denn wir haben nichts gemeinsam. Und nun muss ich mir eine neue Tanzpartnerin suchen, sonst wird die vorherige sich noch Hoffnungen machen.“
„Verzeihen Sie, Lord Rasenby, es stand mir nicht zu, das zu sagen, und ich wollte Sie keineswegs verurteilen. Bitte, bleiben Sie doch, hören Sie mich zu Ende an“, sagte Clarissa, verzweifelt, weil er gehen wollte, ohne dass sie etwas Konkretes erfahren hatte.
Ihr fl ehender Ton erweichte ihn gegen seinen Willen. Trotz ihres Betragens war da etwas an ihr, das sie wie eine echte Dame wirken ließ, und das interessierte ihn. „Wissen Sie, es ist nicht meine Gewohnheit, Unschuldslämmer in den Ruin zu treiben. Seien Sie versichert, ich halte mich an willfährige Partnerinnen, die das Spiel kennen und keins dieser von Ihnen beschworenen zarten Gefühle hegen. Also, wenn Sie mich nicht weiter tadeln, dürfen Sie sprechen. Was genau wollen Sie mir so dringend sagen?“
„Nun, ja, eigentlich …“ Clarissa
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