Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
gehorchen? Mit Lieutenant Smith wäre ich schon irgendwie fertig geworden! Jetzt gehen Sie hinunter und kümmern sich um die Renauds! Wir legen bald an. John, sieh zu, dass wir Fahrt aufnehmen! Wir sind viel zu spät dran.“
Derart schroff abgefertigt, stolperte Clarissa, mühsam ihre Tränen zurückhaltend, die Stiegen hinab, während Kit sich ans Steuerrad begab, irritiert über seinen plötzlichen Zornesausbruch.
„Sind Sie nicht ein wenig hart gegen die junge Dame, Mylord?“, fragte John ernst. „Immerhin hat sie uns aus der Klemme geholfen, das steht fest!“
„Ich weiß, John, hast ja recht.“ Es stimmte, mit schneller Reaktion, kühlem Kopf und Kühnheit hatte sie sie aus einer gefährlichen Lage gerettet. Warum also, in Teufels Namen, war er so wütend auf sie?
7. KAPITEL
„Kommst du jetzt allein zurecht, John?“ Es war eine rein rhetorische Frage, denn sofort sprach Kit, an Clarissa gewandt, weiter: „Hier entlang, Madam, unser Geschäft harrt der Abwicklung.“ Mit unbewegter Miene führte er sie zu der wartenden Kutsche.
Die beiden Renauds waren mit ungewohnter Eile in einen zweiten Wagen gesetzt worden, kaum dass Zeit geblieben war, ihnen Lebwohl zu wünschen, und John war vollauf beschäftigt, die Fracht abzuladen. Die ganze Zeit über sah man Kit an, dass er sich nur mühsam beherrschte. Außer dem Hinweis auf die Kutsche hatte er bisher kein Wort mit ihr gesprochen, und Clarissa schloss daraus, dass sie sich wohl seinen Zorn zugezogen haben musste, wenn sie auch nicht wusste, wodurch. Doch da sie sich ungerecht behandelt fühlte, schwoll auch ihr langsam der Kamm. Sie wirbelte herum. „Womit habe ich dieses Mal Ihren Unwillen erregt, Mylord? Haben Sie zumindest den Anstand, es mir mitzuteilen. Eigentlich nahm ich an, das, was ich tat, als der Zollof fi zier an Bord war, müsste Sie beeindruckt haben. Ich tat es nämlich, um uns alle zu schützen. Wollen Sie mir das ankreiden? Möchten Sie eine Entschuldigung dafür, dass ich versuchte, Sie zu retten? Immerhin hat es funktioniert, nicht wahr?“, fügte sie stolz hinzu. „Das Gesicht des armen Lieutenant war Geld wert.“
„Ja, es hat funktioniert, doch das war reines Glück, und es war sehr leichtsinnig von Ihnen. Ihr impulsives Handeln hätte leicht schiefgehen können. Wissen Sie, das war kein Spaß zu Ihrer Unterhaltung, Clarissa. Das Leben Unschuldiger stand auf dem Spiel. Durch Sie.“
„Sagten Sie nicht, diese Leute seien Ihnen gleichgültig? Sie selbst haben munter verkündet, dass die ganze Sache für Sie nur ein spannender Sport ist.“
„Aber zumindest John ist mir nicht gleichgültig“, entgegnete er lahm. Zum Kuckuck mit der Frau, dachte Kit unbehaglich, nicht nur, dass sie meine Gedanken liest, sie scheint sogar bis in mein innerstes Wesen schauen zu können.
Clarissa, die merkte, dass sie ausnahmsweise Oberwasser hatte, fuhr triumphierend fort: „Wie immer, Mylord, täten Sie gut daran, ein lohnenderes Ziel anzupeilen – sich selbst. Zum Vergnügen unschuldige Leben aufs Spiel zu setzten! Schämen Sie sich, denn haben Sie nicht genau dieses Schicksal für Amelia Warrington vorgesehen?“
„Himmel, schon wieder kommen Sie mir mit der! Sie sind ja geradezu besessen davon! Ich wiederhole: Ich rühme mich, dass, wer sich auf solche Spiele mit mir einlässt, großzügig entlohnt wird.“
„Ja, das ist wohl so, aber haben Sie schon einmal daran gedacht, dass das, was Sie Großzügigkeit nennen, nur schlechtes Gewissen und Schuldgefühle sind?“
Drohend trat er auf sie zu und fasste ihre Ellenbogen. „Das mag vielleicht sein, Clarissa, aber vergessen Sie nicht, wir beide sind in unser ganz persönliches Spielchen verstrickt. Und das spielen wir freiwillig, und es wird bald enden. Wobei man uns beide nicht unschuldig nennen kann.“
Er ließ ihr keine Zeit zu antworten, sondern schob sie in den Wagen, schwang sich in den Sattel seines Pferdes, und sofort ging die Fahrt los, offensichtlich in Richtung London.
Wie nur, fragte Clarissa sich, kann ich Kits Pläne hinauszögern und dabei meine Tugend bewahren? Allerdings war in den letzten vierundzwanzig Stunden so viel geschehen, dass ihr im Moment die Kraft fehlte, darüber nachzudenken. Körperlich und geistig erschöpft, sank sie in die Polster und schlief bald tief und traumlos.
Als sie erwachte, spendete ein Kaminfeuer freundliche Wärme und man hörte Geschirr klappern. Schläfrig setzte sie sich auf und rieb sich erstaunt die Augen. Sie lag auf einem Sofa
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