Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
kostbare Zeit genießen. Du weißt, ich bin als Beschützer sehr großzügig. Dir wird es an nichts fehlen, und wenn wir uns schließlich trennen, werde ich dich mehr als angemessen entschädigen.“
Unverwandt haftete ihr anklagender Blick auf ihm, ohne dass sie jedoch eine Träne vergoss, aber sie war ja, wie er wusste, eine hervorragende Schauspielerin. Er ging zu ihr, zog sie von ihrem Stuhl hoch und küsste sie sacht. „Bitte, denk gründlich über mein Angebot nach, nimm dir Zeit. Sag nicht Nein. Geh jetzt heim, und morgen treffen wir uns, nur vergiss nicht: Ich biete das nur einmal, ich werde dich kein zweites Mal fragen. Sagst du Nein, haben wir uns zum letzten Mal gesehen.“
Stumm schüttelte Clarissa den Kopf, nur mühsam verbarg sie vor Kit, wie weh er ihr getan hatte und was er ihr bedeutete. Reglos ließ sie es zu, dass er ihr den Hut zurechtrückte und die Bänder unter ihrem Kinn zuband. Passiv nahm sie seinen Kuss entgegen, umarmte ihn fl üchtig und verließ ohne einen Blick zurück das Haus am Grosvenor Square.
Als sie auf die Straße trat und einer Mietdroschke winkte, huschte ein junger Bursche in grüner Livree in einen benachbarten Hauseingang, und als der Wagen anfuhr, sprang er unbemerkt hinten auf den Tritt und verschwand ebenso unbemerkt, während Clarissa, daheim angekommen, den Kutscher entlohnte.
Robert Walden, Marquis of Alchester, widmete sich einem verspäteten Lunch, als sein Diener zurückkam, und lauschte interessiert dessen Bericht. Befriedigt nahm er zur Kenntnis, dass die Adresse, die der Junge ihm nannte, mit der übereinstimmte, die sein Anwalt ihm gegeben hatte. Er hatte Lady Maria Warringtons Schuldscheine eher versehentlich in die Hand bekommen. Erst am vergangenen Abend war ihm die Verbindung zu Rasenby bewusst geworden, als dem, ziemlich bezecht, Clarissas Name entschlüpft war.
Lange, lange schon wartete Alchester auf eine Gelegenheit zur Rache, hatte lange schon Rasenbys Ruf als Roué ebenso stetig wachsen sehen wie dessen Reichtum an Landbesitz und Geld. Von bitterer Abneigung erfasst, sah er Rasenbys Erfolge, sah, wie sein leichtfertiger Umgang mit den Frauen ihm nur größere Hingabe einbrachte, wie sein leichtfertiges Glücksspiel mit Gewinnen belohnt wurde, und hatte versucht, ihn über die illegalen Unternehmungen mit der Sea Wolf zu packen zu kriegen. Ohne Erfolg. In dem Maße, in dem Rasenbys Glücksstern stieg, sank sein eigener; er war verschuldet und musste sich mit zwielichtigen Finanztransaktionen, wie eben jenem Erwerb von Schuldscheinen, über Wasser halten. Und je tiefer die Geier über seinem Haupt kreisten, desto mehr mieden die Damen seine Gesellschaft.
Nun jedoch wendete sich das Blatt. Die reizende Miss Clarissa Warrington würde sich als Rasenbys Achillesferse erweisen. Und als meine Rettung, dachte Alchester erfreut. Rasenby würde für immer am Boden zerstört sein.
12. KAPITEL
Zum zweiten Mal kam Clarissa mit dem verzweifelten Wunsch heim, sich in die Einsamkeit ihres Schlafzimmers zurückziehen zu dürfen, und abermals wurde sie, noch ehe sie ihren Hut ablegen konnte, dringend in den Salon gerufen. Dieses Mal gehörte die Stimme ihrer Tante. Clarissa sank das Herz, denn diese Begegnung fürchtete sie besonders.
„Kind, was um Himmels willen hast du angestellt?“ Tante Constance sprang auf und eilte ihrer Nichte entgegen. „Komm, lass dich ansehen. Deine Mutter hat mir da eine wirre Geschichte erzählt, doch ich habe kein Wort verstanden und möchte das alles noch einmal von dir hören. Nun setz dich und erzähl deiner Tante, was geschehen ist.“
Sie sprach so sanft und mitfühlend, obwohl sie doch Grund zum Schelten gehabt hätte, dass Clarissa sich überwältigt in ihre Arme warf und sich, ganz ungewohnt, abermals einem Tränenstrom ergab.
Lady Constance tätschelte ihr den Rücken und murmelte beruhigende Nichtigkeiten, bis Clarissa endlich zu schluchzen aufhörte, reichte ihr ein Taschentuch und wartete geduldig.
Schließlich begann Clarissa: „Tante Constance, ich weiß nicht, was Mama dir erzählt hat. Was sie weiß, hat sie nämlich von Amelia, nicht von mir. Es tut mir so leid, dass du meinetwegen gezwungen warst, Mama zu belügen, aber du musst mir glauben, dass ich nur das Beste wollte.“
„Dummes Kind, das weiß ich doch. Es schmerzt mich nur, dass du, bevor du etwas unternahmst, mich nicht um Rat batest. Ich dachte, du vertraust mir und würdest immer zu mir kommen, wenn du Hilfe brauchtest.“
„Ach, liebe
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