Ein Lord entbrennt in Leidenschaft
lassen musstest? Sieht dir gar nicht ähnlich, schon so früh auf den Beinen zu sein.“ Er drückte ihr einen brüderlichen Kuss auf die Wange und setzte sich ihr gegenüber an den Tisch. „Hast du schon gefrühstückt? Da, nimm dir Kaffee.“
„Mir ist nicht nach essen, Kit, und dir wird es auch nicht sein, wenn du mich erst angehört hast.“
„Dann los. Hat Jeremy wieder über die Stränge geschlagen? Wie viel ist es dieses Mal?“
„Es geht nicht um Jeremy. Aber, Kit, du magst über meinen Sohn sagen, was du willst, wenigstens verführt er keine unschuldigen Mädchen.“
„Nein? Na, er ist ja noch jung, das wird noch kommen“, spottete er. „Und nun sag, was ist so dringend?“
„Es geht um dich, Kit!“, schnaubte Letitia. „Dieses Mal bist du wirklich zu weit gegangen. Ich bin entsetzt, absolut entsetzt! Du hast mich in eine abscheuliche Lage gebracht, noch nie war mir etwas so peinlich. Und die arme Constance – ich muss wohl nicht erwähnen, dass sie deinetwegen ganz schön in Harnisch ist.“
„Und wer bitte“, fragte er verdächtig ruhig, „ist diese Constance, die ich unbewusst gekränkt habe?“
„Meine Güte, du hast mich bestimmt schon von ihr sprechen hören. Lady Constance Denby, eine meiner ältesten Freundinnen.“
„Ich erinnere mich vage. Eine Witwe, nicht wahr? Ihr Gatte war in der Politik. Und was ist nun mit ihr?“
„Sie hat mich gestern besucht. Anscheinend weißt du nicht, dass sie eine Nichte hat. Zwei, genau genommen.“
„Und was ist mit denen?“, fragte Kit argwöhnisch.
„Wie ich hörte, hattest du letztens mit beiden zu tun. Amelia, erfuhr ich von Constance, wolltest du carte blanche anbie ten, wurdest dann jedoch überredet, davon abzusehen. Und nicht zufrieden damit, die eine ruinieren zu wollen, die, wie Constance zugibt, wenigstens an ihrem Ruin nicht unbeteiligt gewesen wäre, gehst du auch noch her und schändest die andere – Clarissa, eine echte Unschuld –, die nun natürlich unsterblich in dich verliebt ist.“
„Clarissa Warrington ist Lady Denbys Nichte?“
„Und noch dazu ihre Lieblingsnichte. Sie hält sehr viel von ihr, hat ihre Ausbildung bezahlt und hoffte, das Mädchen werde einmal bei ihr leben. Indes will Clarissa Mutter und Schwester nicht im Stich lassen, obwohl sie alle, soweit ich verstehe, in recht beengten Umständen leben. Ehrlich, Kit“, rief Letitia unwillig, „das Mädchen ist durch und durch respektabel. Wie konntest du dich derart irren? Dieses Mal bist du wirklich zu weit gegangen!“
„Ich schwöre, Letty, ich kannte weder ihren gesellschaftlichen Stand noch ihre sonstigen Umstände …“
„Das habe ich Constance auch gesagt. Ich weiß, dass das nicht deine Art ist. Aber ehrlich, was war nur in dich gefahren?“
„Himmel, Letty, ich verstehe es selbst kaum.“ Mühsam versuchte Kit seine Gedanken zu ordnen. Offensichtlich hatte Clarissa die ganze Zeit die Wahrheit gesagt, wenn er diese Tatsache auch nicht mit dem, was er mit ihr erlebt hatte, in Einklang bringen konnte. Warum war sie so leichtfertig aufgetreten? Nun, zumindest erklärte sich nun ihre Ablehnung. Carte blanche kam für sie wohl kaum infrage.
Ergrimmt fuhr er sich durchs Haar. Was hatte er getan? Sein Gewissen, das seit gestern wieder ruhig geschlummert hatte, regte sich mit neuer Kraft. „Ich dachte, sie lügt. Sie hat mir wiederholt versichert, sie wäre unberührt, aber ich weigerte mich, ihr zu glauben. Ich war – ach, ich weiß auch nicht. Ich langweilte mich, und sie war so anders, ich habe mich richtig amüsiert. Aber sie muss eine Höllenangst gehabt haben, wenn sie sich auch nichts anmerken ließ. Ich habe nicht begriffen, was ich ihr antat.“
„Nun, glaubt man Constance, gibt es kaum etwas, das du ihr nicht angetan hast“, fauchte Letitia, der die Unmutsäußerungen ihrer Freundin noch in den Ohren klangen.
„Es tut mir leid, dass du für mich herhalten musstest. Lady Constance hat dich wohl an meiner Stelle ziemlich abgekanzelt?“
„Ganz abscheulich. Du kennst ihre giftige Zunge nicht. Aber das ist wohl unbedeutend, verglichen mit dem, was du diesem armen Mädchen angetan hast. Himmel, du hast sie … na ja, … entführt …“ Beim letzten Wort zögerte sie, ihr lag etwas anderes auf der Zunge.
„Nein, nein, so einfach ist das nicht, Letty, aber egal. Hat Lady Constance dir gesagt, wie es meiner armen Clarissa geht?“
„Was interessiert dich das schon?“
Als Kit zusammenzuckte, fügte sie milder hinzu:
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