Ein Lord mit besten Absichten
gerne tun. Sie jedenfalls würde hier bei ihren Tieren bleiben. Ihnen war es gleich, welche Fragen sie stellte. »Sie können meiner Tante sagen, dass ich hereinkomme, sobald ich sicher bin, dass Ophelia außer Gefahr ist.«
Gillian lächelte, als Owen so etwas vor sich hin brummte wie: das Pferd benähme sich wie ein verzogenes Balg, und fuhr fort, leise mit der Stute zu reden.
»Ich frage mich, was der wahre Grund für seinen Besuch ist, Ophelia.« Gillian kraulte die Stute hinter dem Ohr und versuchte, die Motive des unerwarteten Gastes zu ergründen. Wie schon den ganzen Tag über tauchte auch jetzt das Gesicht des unverschämt gut aussehenden Mannes mit den leuchtend silbergrauen Augen wieder vor ihr auf. Ihr Herz schlug schneller, als sie in Gedanken noch einmal den Walzer in seinen Armen tanzte. »Er ist bestimmt wegen Charlotte hier, denn nach meinem Fauxpas konnte er gar nicht schnell genug von mir fortkommen. Sicher hat ihm jemand von meinem kleinen Disput mit Tante Honoria am gestrigen Abend erzählt, und nun ist er gekommen, um mir zu verbieten, ihn so vehement in aller Öffentlichkeit zu verteidigen.«
Ophelia ließ sich nicht zu irgendeiner Meinungsäußerung herab. Die Hunde schnarchten und sonderten in regelmäßigen Abständen Ausdünstungen ab, die Gillian lieber nicht als Kommentar in Bezug auf ihre Situation werten wollte.
»Das habe ich nun von meinen Bemühungen, einem so attraktiven, eigensinnigen Mann Beistand zu leisten. Nein« – ihr Ärger schlug in Traurigkeit um, als sie über ihre unglückliche Lage nachdachte – »Charlotte muss der Anlass für Lord Westons Besuch sein. Immerhin ist er ein Earl und ich bin … ich bin …«
»Überaus faszinierend.«
Gillians Herz klopfte ihr bis zum Hals, als Lord Herrlichkeit plötzlich lässig an der Stalltür stand. Ihr stockte der Atem, als sie ihn ansah – das war nicht fair. So attraktiv wie er durfte einfach kein Mann sein.
Die linke Augenbraue des Earls hob sich. »Vielen Dank. Ihre Gedanken schmeicheln mir.«
Mit einem Stöhnen ließ Gillian den Kopf in die Hände sinken. Wieder hatte sie eine Kostprobe ihrer unseligen Angewohnheiten gegeben. »Kann man eigentlich an Verlegenheit sterben, Mylord?«
»Wenn das der Fall wäre, gäbe es wohl kaum noch mehr als eine Handvoll Menschen auf der Welt. Gütiger Gott, wonach riecht es denn hier?«
Gillians Röte wurde noch stärker, während sie durch die Finger zu ihm spähte. »Das sind meine Hunde. Sie haben ein kleines Verdauungsproblem.«
Wie zur Bestätigung dieser Erklärung gaben beide Hunde einen hörbaren Beweis ihrer Beschwerden ab.
»Ich probiere jede Woche ein anderes Futter aus«, sagte sie und wedelte mit der Hand vor ihrer Nase hin und her, »aber wie es scheint, habe ich noch nicht die richtige Kombination gefunden.«
Weston geriet zwar ins Wanken, hielt jedoch tapfer die Stellung. »Probieren Sie es weiter. Wieso halten Sie den Kopf der Stute in Ihrem Schoß?«
Ophelia schielte mit einem Auge zu Weston hoch und stieß ein lautes Schnauben aus.
»Sie ist krank. Wenn ich keine Zeit zum Reiten habe, bekommt sie leicht eine Kolik.«
»Hm.« Weston betrat den Stall, hockte sich neben die Stute und drückte ihr sanft den Bauch. Gillian konnte nicht umhin, auf die beiden großen und äußerst muskulösen Oberschenkel direkt vor ihrer Nase zu starren. Er trug glänzend schwarze Schaftstiefel und eine hautenge Hirschlederhose. Eine mitternachtsblaue Weste und Jacke sowie ein schlichtes Halstuch rundeten seine legere Aufmachung ab. Sie fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn sie diese Schenkel berührte und die Hand darübergleiten ließ.
»Geht es Ihnen gut?«
»Oh ja, sehr gut, danke«, brachte Gillian heraus, während sie den Blick von seinen Schenkeln und ihre Gedanken von ihren unziemlichen Fantasien fortriss. »Ich habe mich wohl verschluckt. Ich dachte, Sie trügen immer Schwarz.«
»Wie bitte?«
»Schwarz. Man sagte mir, dass Sie stets Schwarz tragen würden, als eine Art Strafe. Hier jedoch tauchen Sie in Hirschlederhosen auf.«
»Sie sollten nicht alles glauben, was Ihnen zu Ohren kommt.«
Ein aus der Ecke dringendes Geräusch bekräftigte die Wahrheit seines Ratschlags. Gillian tat, als wären die Hunde gar nicht da, und rieb sich verstohlen die brennenden Augen.
»Hat sie sich schon in den Leib gebissen?«
»Was? Nein, sie ist ganz zufrieden damit, einfach so dazuliegen und am Kopf gestreichelt zu werden. Das beruhigt sie.«
Westons Blick huschte
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