Ein Lord mit besten Absichten
dann kommen Sie an den Galgen, Lady oder nicht!«
»Aber, warten …«, wollte Gillian ihn bitten, stehenzubleiben, doch der Kutscher drehte auf dem Absatz um und lief davon, ehe sie sich ihm nähern konnte.
»Hm, was mach ich denn jetzt?«, jammerte sie den stumm daliegenden Earl an. »Ich kann Sie doch nicht hier liegenlassen – großer Gott, Sir Hugh! Was um alles in der Welt machen Sie denn hier?«
Ein kleines gelbes Karriol war auf den Hof gerast und genau vor ihr stehengeblieben. Der Baronet sprang vom Sitz, erfasste mit einem Blick die Szene vor sich und befahl seinem Pagen, sich um sein Pferd zu kümmern. »Ich bringe Lady Weston in dieser Kutsche heim.«
Gillian hätte ihn am liebsten geküsst, als sie dieses verlockende Wort hörte.
Heim
. »Das wäre wirklich zu nett von Ihnen, Sir Hugh, aber ich fürchte, ich muss hierbleiben. Der Richter will bestimmt wissen, wieso ich einen Earl umgebracht habe …«
Sir Hugh beäugte die reglos am Boden liegende Gestalt. »Er ist tot? Wie bedauerlich, trotzdem war es sicherlich nur ein Unfall. Und außerdem hat er Sie entführt.«
»Entführt oder nicht, ich glaube, ich sollte lieber bleiben, bis ich mit den Behörden gesprochen habe«, sagte sie mit einem zaghaften Blick zum Wirtshaus. Sie hatte nicht unbedingt das Verlangen, einen Galgen zu sehen, geschweige denn ihn auszuprobieren.
Sir Hugh schürzte nachdenklich die Lippen. »Ich habe eine Idee. Nicht weit von hier – die Fahrt dauert höchstens eine Stunde – habe ich ein Haus. Ich werde beim Wirt eine Nachricht über Ihren Verbleib hinterlassen, und Sie kommen einfach mit und ruhen sich etwas aus, bis Weston eintrifft.«
»Noble ist auf dem Weg hierher?« Plötzlich erschien ihr die ganze Situation gar nicht mehr so furchtbar. Bestimmt würde er ihr aus diesem schrecklichen Chaos helfen. »Ist er gleich hinter Ihnen?«
»Nein, er musste erst noch etwas erledigen. Ich gehe nur kurz hinein und lasse Noble eine Nachricht da, wo wir hinfahren, und dann können wir los.«
Auf den Tag zurückblickend wurde Gillian klar, dass sie hätte stutzen müssen, als Sir Hugh darauf bestand, Lord Carlisles Leiche einfach im Hof liegenzulassen, doch sie hatte es ebenso wenig erwarten können zu verschwinden wie anscheinend Sir Hugh. Daher akzeptierte sie seine Erklärung, dass der Wirt erst den Doktor holen lassen wollte, ehe man Carlisle woandershin brachte.
Außerdem wurde ihr klar, dass sie die Anzeichen von Sir Hughs Wahnsinn hätte bemerken müssen, ehe sie auf so katastrophale Weise zutage traten, doch sie waren ihr entgangen. Sie fuhr mit ihm zu seinem Haus und war mit ihrem Retter ganz zufrieden, bis er sie in ein abgedunkeltes Schlafzimmer führte.
»Vielen Dank, Sir Hugh«, sagte sie höflich und wünschte sich, dass er jetzt ginge, damit sie sich frisch machen konnte. »Ich bin sicher, dass ich mich hier sehr gut … ach du meine Güte. Was … ähm … was genau ist das?«
»Was denn?«, fragte Sir Hugh freundlich, während er den Türriegel einrasten ließ und sich daranmachte, Kerzen anzuzünden.
Gillian zeigte auf die erhöhte runde Holzplatte. »Na, das. Das große Ding da, genau da, das fast das ganze Zimmer einnimmt.«
Allmählich spürte sie, dass hier irgendetwas absolut falsch war.
»Ach, das.« Sir Hugh stand plötzlich hinter ihr und legte eine Hand in ihren Rücken. »Das ist eine kleine Vorrichtung, die ich selbst entworfen habe. Ein etwas abgewandeltes Folterrad. Sehen Sie nur, es dreht sich sogar.«
Gillian bemerkte es sehr wohl, genauso wie die vier Lederriemen und das, was verdächtig nach getrocknetem Blut aussah. Sie versuchte, ihre Todesangst für sich zu behalten, als sie sprach. »Aha. Das ist … wirklich originell, Sir Hugh.«
Er lächelte. Gillians Herz rutschte ihr in die Schuhe. Sie hatte einen Wahnsinnigen vor sich; das wusste sie so gut, wie sie sich selbst kannte.
Sir Hugh lachte. »Wahnsinnig? Das glaube ich nicht, meine Liebe, obwohl ich inzwischen eigentlich nicht mehr unter dem leiden sollte, was Ihr Ehemann mir angetan hat.«
Gillian trat einen Schritt zurück. »Noble ist Ihr Freund, Sir Hugh. Er ist seit vielen Jahren Ihr Freund.«
»Freund«, knurrte er und ging auf sie zu. »Feind, meine Liebe, mein ärgster Feind. Wussten Sie, dass er mir die schöne Elizabeth gestohlen hat? Sie war nämlich mir versprochen, von meinem Papa. Doch dann kam Noble daher, und auf einmal musste er unbedingt sie haben und keine andere.«
Gillian trat noch einen Schritt
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