Ein Lord mit besten Absichten
wirklich Leute, die einander solche Dinge antaten? Zu allem Überdruss hörte es sich auch noch so an, als ob sie ihr Spaß gemacht hätten – wie konnte sie sich nur so in ihr getäuscht haben? Wusste Noble, dass Sir Hugh Elizabeth in jener Nacht vor all den Jahren umgebracht hatte? Wusste er, dass sich seine erste Frau Sir Hugh zum Geliebten genommen hatte?
Und nicht zu vergessen Lord Carlisle. Er hatte zugegeben, Elizabeths Liebhaber gewesen zu sein, und nach dem, was Sir Hugh gesagt hatte, wollten er und Elizabeth Carlisle offensichtlich als Sündenbock für Nobles Ermordung hinstellen. Gillian schwirrte der Kopf vor lauter Schmerz und Verwirrung.
Geheimnisse und Lügen, Lügen und Geheimnisse, hatte Palmerston gesagt. Lügen – damit war das gemeint, was Elizabeth Lord Carlisle erzählt hatte. Geheimnisse – Sir Hugh und Elizabeth und ihr geheimer Plan, Noble beiseitezuschaffen.
»Es wird Zeit, Liebes. Schon viel, ja viel zu lange habe ich deine liebliche, angsterfüllte Stimme nicht mehr gehört.« Sir Hugh fuhr mit dem Daumen über das Messer und trat vor Gillians gespreizte Beine. Er hatte das Hemd so weit abgeschnitten, dass ihr Unterleib nur noch knapp bedeckt war. Sie schloss die Augen und sandte ein Gebet gen Himmel, während sie zusammenzuckte, als sie plötzlich die kalte Schneide des Messers spürte, das Sir Hugh flach auf ihrem Schenkel nach oben gleiten ließ.
»Jetzt, Noble, jetzt wäre ein guter Zeitpunkt«, flüsterte sie und versuchte, sich für den zu erwartenden Schmerz zu wappnen. »Bitte, Noble, ich brauche dich, jetzt.«
»Betest du, meine Liebe? Du weißt, dass das nichts bringt – ich werde dir deine gotteslästerlichen Gedanken schon noch aus der Seele prügeln, sobald wir mit diesem Spielchen fertig sind.«
»Noble!« Gillians Stimme überschlug sich, als Sir Hugh den Rand ihres zerfetzten Hemdes ergriff und es weit auseinanderriss. In einer gewaltigen Explosion aus Licht und Lärm brach plötzlich eine Gestalt durchs Fenster und in das Höllendunkel des Raumes, und dann war Noble da, schlang die Hände um Sir Hughs Kehle, drückte immer fester zu und hob den Wahnsinnigen vom Boden ab, ohne den Griff je wieder zu lockern. Gillian schloss die Augen, aber sie hörte noch das schaurige Knacken, als Noble den Kopf des Baronets drehte und ihm mit einem Ruck das Genick brach.
»Gott sei Dank«, hauchte sie, und schon war er da und vergewisserte sich schnell, dass sie keine Verletzungen hatte, ehe er die Lederriemen durchschnitt und sie zu einem Stuhl trug.
»Es ist alles gut, mein Herz, ich bin ja da«, summte er leise, während er sie festhielt und hin und her wiegte. »Ich bin ja da, mein Schatz, jetzt kann dir nichts mehr passieren.«
»Lass mich nicht los«, flüsterte sie an seinen Hals, während sie versuchte, das heftige Zittern in den Griff zu bekommen, das ihren Körper befallen hatte. »Ich wusste, du kommst, Noble. Ich wusste, dass du mich findest, mein goldiger, hinreißender, geliebter Ehemann. Aber meinst du nicht, du hättest mich ein kleines bisschen früher finden können?«
Noble stieß ein bebendes Lachen aus und drückte sie noch einmal ganz fest. »Ich kenne wirklich keine andere Frau, die in der Lage ist, durchzumachen, was du durchgemacht hast, und dann noch genügend Atem besitzt, um mich auszuschimpfen.«
Gillian löste sich so weit aus seiner Umarmung, dass sie in seine geliebten, zauberhaften silbergrauen Augen mit den wundervollen schwarzen Flecken blicken konnte. »Ich schimpfe dich doch nicht aus, mein Lieber.
Du
schimpfst. Ich höre immer nur zu. Ach, Noble! Du blutest ja! Du hast dir deine armen Beine verletzt! Komm, ich versorge lieber die Wunden, bevor du noch krank wirst.«
Noble lachte wieder, diesmal kräftiger, und ließ sie nur kurz los, um sie in ein Betttuch zu hüllen, ehe er die Tür öffnete. »Nichts und niemand kann mir jetzt noch etwas anhaben, Liebes, schon gar nicht ein paar Kratzer.«
Rosse stand mit einem Beil vor der Tür und keuchte vor Anstrengung, nachdem er versucht hatte, sie einzuschlagen. »Geht es ihr gut?«, fragte er, während Noble sich an ihm vorbeischob, mit Gillian in der Geborgenheit seiner starken Arme.
»Keine Verletzungen, nur Angst.«
»Und …?« Er wies mit einem Nicken ins Zimmer.
»Da drinnen. Er wartet auf dich. Beziehungsweise das, was von ihm übrig ist.«
Rosse lächelte. »Es ist mir ein Vergnügen, hinter dir aufzuräumen.«
Gillian warf einen kurzen Blick auf sein Lächeln und vergrub ihren
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