Ein Lord mit besten Absichten
Kutschers, der die Leute anbrüllte, ihm gefälligst Platz zu machen, durch die Straßen schlingerte. Noble schloss kurz die Augen gegen den Schmerz, der ihn zu übermannen drohte, Schmerz bei dem Gedanken, Gillian zu verlieren. Sie war seine Seele, so tief mit ihm verbunden, dass er glaubte, eine Trennung nicht überleben zu können. Im Takt der Hufschläge wiederholte sein Geist ein Gebet: »Bitte, oh Herr, lass es ihr gutgehen.«
Eine kleine, kalte Hand schob sich in seine. Noble öffnete die Augen und blickte seinen Sohn an.
»Es wird alles wieder gut«, versprach er, während er dem Jungen eine einzelne Träne von der Wange wischte. »Mach dir keine Sorgen, mein Sohn, wir werden sie retten.«
»So wie sie dich gerettet hat?«, fragte Nick und drückte fest die Hand seines Vaters.
Ein Lächeln huschte über Nobles Gesicht. »Ja, genau so. Wir werden sie retten und nach Hause bringen und für den Rest ihres Lebens auf sie aufpassen.«
Nick vergrub seinen Kopf an der Seite seines Vaters. »Dieser Mann wird ihr wehtun, wie er es bei Mama gemacht hat«, sagte er in Nobles Jacke.
»Welcher Mann?«, fragte Noble, dem die Idee, seine Frau sicher in einem hohen Turm einzusperren, immer besser gefiel.
»Der Mann, der Mama wehgetan hat. Der Mann, der dir auf den Kopf geschlagen hat, als du gekommen bist, um mir zu helfen.«
Noble spürte, wie sein Blut zu Eis gefror. Er schob seinen Sohn sanft von sich, bis er sein Gesicht sehen konnte. Nicks Augen – jene Augen, die ihm das Gefühl gaben, in einen Spiegel zu sehen – waren voller Qualen und Sorge, als sie seinen Blick erwiderten.
»Der Mann, den du gesehen hast, als er …« Großer Gott, wie er es hasste, ihm das antun zu müssen, aber es ging um Gillians Leben. »Der Mann, der Mama erschossen hat?«
Der Junge nickte, und eine Träne stahl sich aus seinen randvollen Augen.
»Wo hast du diesen Mann gesehen?«
»Bei Gentleman Jackson. Er hat Gillian beobachtet.«
Tief in seinem Innern verwandelte sich das Eis in Feuer. »War der Mann noch da, als Gillian ging?«
Der Junge nickte wieder und sah noch beunruhigter aus. Er drehte den Stoff seiner kurzen Hosen nervös zwischen den Fingern. »Habe ich etwas falsch gemacht, Papa? Ich habe versucht, es dir zu sagen, aber du hast mir nicht zugehört.«
Noble zog seinen Sohn fest in die Arme. »Nein, Nick, du hast nichts falsch gemacht. Also, ich möchte, dass du mir jetzt von Anfang an erzählst, wann du den Mann bei Gentleman Jackson zum ersten Mal gesehen hast.«
Lord Rosse, der auf einem der Pferde des Schwarzen Earls ritt, staunte, als er sah, wie Nobles Kutsche plötzlich anhielt. Er schloss zu ihm auf und beugte sich herunter, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
Noble stieg aus und reichte Nick zu Kutscher John auf den Bock hoch. »Du kannst ein Weilchen da oben bei John mitfahren. Wenn du dich benimmst, lässt er dich bestimmt die Peitsche schwingen.«
Noble wandte sich zu seinem Freund um. »Bind ihn an.« Er zeigte auf das Pferd, während er wieder einstieg. »Wir müssen reden.«
»Was ist los?«, fragte Rosse eine Minute später, als die Kutsche ihre schnelle Fahrt wiederaufnahm. »Du wirst noch bei Rowley die Pferde wechseln müssen, wenn du sie in dem Tempo weiterlaufen lässt.«
Noble ignorierte ihn und blickte wie versteinert. »Es ist Tolly.«
Rosse starrte ihn an, als würde er nicht verstehen.
Noble verzog gequält das Gesicht. »Gott stehe mir bei, ich dachte, der Mann wäre mein Freund, dabei hat Tolly die ganze Zeit dahintergesteckt. Er ist verantwortlich für McGregors Angriffe auf mich, dessen bin ich mir sicher. Es war
Tolly
, der Elizabeth umgebracht hat.«
»Tolly?«, fragte Rosse ungläubig. »Unser Tolly? Bist du sicher? Er ist doch derjenige, der uns sagte, wir sollten mal Zuhause bei Carlisle nachsehen, … oh.«
»Richtig. Nick hat ihn genau beschrieben, bis hin zu den verdammten Uhrenanhängern, mit denen er sich immer herausputzt. Er hat erzählt …« Nobles Stimme erstarb. Er brauchte einen Moment, ehe er weiterreden konnte. »Er hat erzählt, wie Tolly Elizabeth immer besucht hat und sie dann vor Nicks Augen ihre Spielchen getrieben haben. Mein Gott, Harry, wie konnte sie ihm so etwas nur antun? Wie konnte sie ihn so sehr hassen, dass sie ihn in dieser Form leiden sehen wollte?«
Auch Rosse schluckte einen dicken Kloß herunter. »Sie hat ihn nie gemocht, Noble, das wusstest du.«
»Ja, das wusste ich, und ich dachte, ich hätte ihn vor ihrem Zorn, keine eigenen
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