Ein Lord mit besten Absichten
Gattin, Lady Collins?«
Countess Lieven, eine kleine, dunkle, lebhafte Frau mit formvollendetem Benehmen und flinkem Auge, betrachtete erstaunt Gillians blaue Handflächen, bemerkte den blauen Handabdruck an der linken Seite ihres goldenen Kleides und schüttelte sich innerlich. Sie würde die Engländer nie verstehen. Sie begrüßte ihre Gäste mit einem Lächeln, ehe sie Gillian mit einer Hand auf ihrem Arm aus der Reihe der Ankömmlinge führte. »Meine Zofe Clothilde wird sich um Ihre Hände … und Ihr Kleid kümmern, meine liebe Lady Weston. Doch bevor sie dies tut, erlauben Sie mir, Ihnen mein tiefstes Mitgefühl für Ihre unerfreuliche Situation auszusprechen. Mein Herz, es blutet für Sie in den schweren Zeiten, die Sie durchmachen.«
Gillian blinzelte und starrte in die beiden vor ihrer Nase tanzenden schwarzen Augen. Sie hatte keine Zweifel, dass Lady Lieven darauf brannte, den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen. »Ich danke Ihnen für Ihr Mitgefühl, Countess, doch ich bin sicher, dass die Farbe sich abwaschen lässt.«
Das berühmte Lächeln der Countess wirkte plötzlich etwas gequält, während sie den Blick schnell auf Gillians Hände fallen ließ. »Nein, meine Liebe, diese unerfreuliche Situation habe ich eigentlich nicht gemeint. Vielmehr ist es die andere, die mir das Herz bricht.«
Gillian ließ in Gedanken alle unerfreulichen Situationen Revue passieren, in die sie jüngst geraten war, und errötete bis zu den Haarspitzen. »Ich bitte um Verzeihung, Countess. Natürlich werde ich Ihnen den Rosenbogen ersetzen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sich die Farbe so leicht entzündet, und als mir aus Versehen die Lampe umfiel, hat sie ein kleines Stückchen vom Rosenbogen in Brand gesetzt. Wirklich nur ein ganz kleines Stückchen, und ich möchte bezweifeln, dass man es überhaupt sieht, wenn man nicht nahe herangeht, was ich natürlich tun musste, um das Feuer zu löschen. Selbstverständlich komme ich auch für die bezaubernden Rosenbüsche auf.«
Die Countess starrte sie an, als wäre ihr plötzlich mitten auf der Stirn ein drittes Auge gewachsen; dann schüttelte sie kurz den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ach, das ist doch nicht so schlimm, meine liebe Lady Weston. Was sind denn schon ein paar Rosen und ein Stückchen Holz unter Freunden, hm?«
»Das ist wirklich zu gütig von Ihnen, Countess.«
Es machte den Eindruck, dass es der Countess nur mit Mühe gelang, sich zu sammeln, doch dann schenkte sie Gillian ein strahlendes Lächeln und sprach sie in einem äußerst verschwörerischen Tonfall an.
»Ich rede doch gar nicht von diesen Lappalien, meine Liebe. Ich rede davon, was mir ein Vögelchen gezwitschert hat, und ich möchte betonen, dass Sie jederzeit eine Freundin in mir finden, wenn Sie Beistand benötigen.«
Gillian blickte sich verstohlen um. Sie waren in das leise Stimmengewirr zahlreicher Leute gehüllt, die anscheinend ein nicht geringes Interesse an dem hatten, was die Countess ihr zu sagen hatte. Das war offensichtlich auch der Countess bewusst, denn sie hob die Stimme, obwohl sie sich noch näher zu Gillian beugte. »Ich beziehe mich da natürlich vornehmlich auf die unerfreuliche Situation Ihres Gatten. Aber lassen Sie sich versichert sein, dass er, was auch immer man über ihn redet, ein stets willkommener Gast im Hause Ashburnham sein wird.«
Mehrere Leute rümpften die Nase, und jemand stieß sogar ein schallendes Lachen aus. »Vielen Dank«, sagte Gillian, reichlich verwirrt über die vielen Andeutungen. Hatte sie etwas angestellt, was Noble zum Geächteten machte? Sie blickte heimlich auf ihre blauen Hände und entdeckte entsetzt den blauen Fleck auf dem bezaubernden apricot-goldenen Chiffonkleid der Countess. Sie versuchte, etwas von ihr abzurücken, doch ein Grüppchen von Leuten, die darauf warteten, die Gastgeberin zu begrüßen, hielt sie gefangen.
»Lord Weston wird Ihre Unterstützung sehr zu schätzen wissen, Countess. Und meine Wenigkeit natürlich auch.«
»Und was die andere unglückliche Situation betrifft, die mir das Vögelchen gezwitschert hat« – die Countess legte den Kopf leicht schräg, was ihre Straußenfeder sanft in der von den offenen Fenstern hereindringenden Brise wippen ließ – »dürfen Sie sich immer gerne an mich erinnern, wenn Sie einmal eine Atempause von Ihren … Sorgen brauchen.«
Gillian lächelte und versuchte, das Gesicht abzuwenden, um den Streicheleinheiten der Straußenfeder zu entgehen. »Das
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