Ein Lord mit besten Absichten
weichen Sitzpolster sinken und krümmte vorsichtig die Finger. »Dann erzähl mir mal, was es mich gekostet hat, meinen guten Namen und hervorragenden Ruf für dich zu opfern.«
Westons Finger glitten über die Schwellung um sein Auge. Eine kurze Ablenkung in Form der plötzlichen Vorstellung von Gillian auf dem Boden in seiner Bibliothek, das Kleid verdreht, das Haar über ihre goldenen Schultern und höchst appetitlichen Brüste fallend, hatte ausgereicht, um Rosse die Chance zu geben, einen gewaltigen Treffer mit der Linken zu landen.
»McGregor ist wieder in der Stadt.«
Rosse nickte. »Ich habe ihn vor ein paar Tagen im Theater gesehen. Hab ihn natürlich nicht erkannt.«
»Natürlich. Er hat mir einen Besuch abgestattet.«
Rosse blinzelte hinter seiner Brille. »Warum denn das?«
»Um mir zu drohen.«
»Dir zu drohen? Womit? Ach so. Gillian?«
»Richtig. Er redete irgendetwas davon, dass er sie warnen wollte, aber ich kenne den wahren Grund. Er hat mir die Heirat mit Elizabeth nie verziehen und wird alles daransetzen, mir Gillian wegzunehmen, wie er es mit ihr gemacht hat.«
Rosse entspannte sich. »Ich kann gut nachempfinden, dass dich der Besuch dieses Mistkerls aufregt, aber ich denke, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass er das Herz deiner Amazone einfach so stiehlt. Sie ist aus härterem Holz geschnitzt.«
»Sie ist eine Frau und daher zu allem fähig, was notwendig ist, damit sie bekommt, was sie will.«
Rosse beobachtete, wie ein gequälter Ausdruck über das Gesicht seines Freundes huschte, in den sich eine Trauer mischte, deren Ursprung in einer Nacht vor fünf Jahren lag. »Jede andere Frau vielleicht. Ich will nicht behaupten, dass ich alles über dieses Geschlecht weiß, aber so viel weiß ich – das Herz deiner Amazone hast du gewonnen.«
Weston verzog das Gesicht zu einem Grinsen, das gleich in eine Grimasse des Schmerzes umschlug, als sich sein geschwollenes Auge meldete. »Ich weiß, sie hat es mir gesagt.«
»Na bitte. Du hast also gar keinen Grund zur Sorge.«
»Ich habe
allen
Grund zur Sorge, Harry. Irgendjemand da draußen macht mir Ärger, seitdem ich wieder in der Stadt bin.«
Weston erzählte ihm vom Hilferuf seiner früheren Mätresse, der ihn zu dem Haus geführt hatte, aus dem sie mittlerweile ausgezogen war, und beendete seinen Bericht mit einer Schilderung seiner Rettung durch Gillian und Nick.
»Bist du endlich fertig?«, fragte Noble und beobachtete, wie sich sein Freund die Tränen wegwischte. »Wenn ich gewusst hätte, dass dich die Geschichte so sehr erheitern würde …«
»Ach, Noble, hätte ich doch nur dabei sein können. In ein Betttuch, sagst du? Ja. Nun …« Rosse merkte, dass er die Geduld seines Freundes ausgereizt hatte, und kam zur Sache zurück. »Das spricht doch alles für einen in großem Stil angelegten Scherz.«
»Genau das habe ich auch erst gedacht, dann jedoch ausgeschlossen. Keiner, den ich kenne, würde es wagen, sich einen derartigen Spaß mit mir zu erlauben, und …« Er blickte aus dem Fenster, als die Kutsche die St. James’s Street hinaufrollte. »Ich glaube, der Täter wusste nicht, dass Gillian in der Stadt ist und höchst eigenwillige Maßnahmen ergreifen würde, um mich aus einer Situation zu befreien, in der – ihrer Einschätzung nach – mein Leben in Gefahr war.«
»Bist du derselben Ansicht?«
Weston betrachtete den silbernen Knauf seines Spazierstocks. »Ich bin nicht sicher, habe aber so meine Zweifel. Wer auch immer das getan hat – hätte er mir etwas antun wollen, wäre doch reichlich Gelegenheit dazu gewesen, nachdem er mich niedergeschlagen hatte.«
Rosse ließ sich das eine Minute durch den Kopf gehen. »Ich glaube, da hast du recht, Noble. Also, was kann ich bei der ganzen Geschichte für dich tun?«
Noble lächelte, als die Kutschtür geöffnet und die Stufen heruntergeklappt wurden. »Ich möchte, dass du noch einmal tust, wofür du während des Krieges dein Talent bewiesen hast«, erwiderte er, sprang behände aus der Kutsche und drehte sich noch einmal zu seinem Freund um. »Ich möchte, dass du für mich spionierst, Harry.«
»Lady Weston, wie reizend, Sie wiederzusehen.«
»Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite, Countess Lieven. Bitte entschuldigen Sie das Aussehen meiner Hand. Ich musste Ihre bunten Lampen bewundern, die Sie zwischen den Blumen versteckt haben. Leider war mir entgangen, dass die Farbe noch nicht ganz trocken war. Kennen Sie meinen Onkel, Lord Collins, und seine
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