Ein Lord mit besten Absichten
werden feststellen, wie bescheiden und zurückhaltend sie ist«, kam Gillian ihr zu Hilfe und konnte sich das Lachen über ihre Cousine in der Rolle der unschuldigen und schüchternen Jungfrau kaum noch verkneifen. Charlotte hatte ihr anvertraut, dass besonders die Erwähnung dieser beiden Eigenschaften in genau dieser Kombination ihr bereits drei Heiratsanträge eingebracht hatte.
»Äh … natürlich. Äußerst bescheiden und zurückhaltend. Vielleicht könnten wir diese wahrlich faszinierende Unterhaltung im Haus fortführen? Ist Ihr … äh … Hund fertig? Ja? Vielleicht könnte Crotch die Tiere nach hinten zu den Ställen bringen.«
»Ich bitte um Verzeihung?« Gillian glaubte sich verhört zu haben.
»Fort mich euch!«, rief der Earl, während er mit energischen Gesten versuchte, die Hunde zu verscheuchen, die gemächlich zu ihm getrottet waren, um die ihnen unbekannte Person mitsamt deren Intimsphäre einer kurzen Überprüfung zur Feststellung ihres Geschlechts zu unterziehen.
Charlotte stieß ein unschuldig mädchenhaft klingendes Seufzen aus und fächelte sich auf eine Art und Weise Luft zu, die zu einer bescheidenen, zurückhaltenden Person passte.
Gillian spürte, wie ihr heiße Röte ins Gesicht stieg. Heiliger Strohsack, würde sie ihre Hunde je irgendwohin mitnehmen können, ohne sich zu blamieren? »Oh, ja, natürlich. Lord Carlisle, das ist mir ja so peinlich. Das machen sie leider immer. Piddle! Erp! Böse Hunde! Ich hoffe, sie haben Ihnen bei ihrer Schnüffelei nicht … äh … wehgetan. Sie beschnuppern nämlich alles und jeden, und so leid es mir tut, ich schaffe es nicht, ihnen das Beschnuppern … äh … Beschnuppern abzugewöhnen.«
Die Augen des Earls verengten sich zu Schlitzen.
»Wovon zur Hölle sprechen Sie eigentlich?«
Charlotte packte sie am Arm und zischte ihr eine Warnung zu, das Thema nicht zu vertiefen, was Gillian jedoch ignorierte. »Von Ihrem Schritt natürlich.«
»Meinem
was
?« Die Stimme des Earl sprang in die nächsthöhere Tonlage, als Erp sich zu einer weiteren Untersuchung entschloss. »Runter, Bursche! Platz!«
»Erp! Böser Hund! Nick, Liebes, nimm Erp und pass auf, dass er das nicht noch mal macht. Ich bitte vielmals um Verzeihung, Lord Carlisle«, entschuldigte Gillian sich, während sie Piddle am Halsband festhielt. »Da wir die Frage Ihres Schritts ja nun geklärt haben, könnten wir vielleicht hineingehen?«
Der Earl starrte Gillian einen Moment lang an, dann schloss er die Augen und schüttelte den Kopf. Als er sie wieder öffnete, stand Gillian immer noch vor ihm und zeigte dieses charmante, hinreißende, äußerst irritierende Lächeln. Lord Carlisle begann, Mitleid für den Ehefrauenmörder Weston zu empfinden. Denn er hegte den Verdacht, dass der Schwarze Earl diesmal seine Meisterin gefunden hatte.
Derselbe Verdacht beschlich den Schwarzen Earl. Gerade war er bei John Stafford gewesen, dem Bürovorsteher der Bow Street Runners, der ihm Unterstützung beim Zusammentragen von Beweisen zugesichert hatte. Beweise, dass dieser Mistkerl McGregor hinter den Drohungen gegen ihn und Gillian und dem Angriff vor ein paar Nächten steckte.
»Sind Sie sicher, dass Lord Carlisle hinter diesen Briefen steckt?«, fragte Stafford.
»So sicher, wie ich ohne sein Geständnis nur sein kann«, antwortete Noble. »Der Mann ist ein kaltblütiger Verbrecher, der es auf Frauen abgesehen hat. Er ist für den Tod meiner ersten Frau verantwortlich und begegnet mir mit großer Feindseligkeit.«
»Ich bin sicher, dass das so ist, Mylord, aber ich muss mir zunächst ein Gesamtbild verschaffen. Kann es denn nicht noch andere Personen geben, die Ihnen Böses wünschen?«
»Jede Menge, möchte ich behaupten«, erwiderte Noble mit einem gequälten Zucken an seinem Mund. »Die halbe Hautevolee glaubt, ich hätte meine Frau ermordet, und die andereren halten mich für einen berüchtigten Lebemann. Aber keiner von ihnen weiß, was im Einzelnen in den Drohbriefen stand.«
»Ich nehme an, dass Sie nicht vorhaben, die geforderte Summe zu bezahlen?«
»Das versteht sich wohl von selbst.«
Stafford nickte und blickte auf den Brief, den Noble zuletzt erhalten hatte. »Ich kann Ihnen drei Männer zur Verfügung stellen, Mylord.«
Noble griff nach dem Brief. »Ich hatte auf mehr gehofft.«
»Tut mir leid, aber mehr kann ich momentan beim besten Willen nicht für Sie abstellen. Meine Leute werden sich morgen früh in der Nähe Ihres Hauses aufhalten.«
Noble schrieb ein
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