Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
Vom Netzwerk:
haben.
    »Woldan, hm?«, machte er, um die Pause zu überbrücken.
    »Derselbe.«
    »Ich frag mal. Keine Dummheiten.«
    Der Mann verschwand durch das Tor im Haus. Minuten später kam er mit einem Begleiter heraus, den ich sofort wiedererkannte. Goran war von seinem ganzen Auftreten immer noch das affektierte, arrogante und selbstverliebte Arschloch, als das ich ihn kennengelernt hatte. Manche Dinge änderten sich offenbar nie.
    Er trat auf uns zu, blickte erst mich, dann Woldan an und rang mit sich ob der richtigen Reaktion. Er wollte wohl nicht richtig lächeln, aber andererseits wogen die Bande der Verwandtschaft stark. Darüber hinaus wusste er sicher, dass ich jetzt ein richtiger Baron war, und da befahl man nicht leichtfertig die sofortige Entsorgung in der Gosse. Schließlich rang er sich zu einem falschen Grinsen durch und deutete eine Verbeugung an.
    »Bruder«, sagte er dann tonlos.
    »Bruder«, erwiderte Woldan ebenso.
    Das war herzliche Geschwisterliebe. Ich war gerührt.
    Goran sah mich an.
    »Was gibt es Neues von Selur?«, fragte er.
    »Er ist Vater geworden.«
    »Ich fragte nach etwas Neuem, Hauptmann. Ich kann dir drei Bastarde in Skoberg nennen, denen man ihre Herkunft ziemlich eindeutig ansieht.«
    Ich widersprach nicht. Wir waren damals hier drei Monate stationiert gewesen. Mehr als genug Zeit für Selur.
    »Dürfen wir reinkommen?«, fragte ich.
    Goran verzog das Gesicht. »Na gut.«
    Wir folgten ihm ins Haus. Innen war die Villa so, wie wir es erwartet hatten: voller Pomp und Luxus, aber ohne jeden Stil. Kostbarkeiten aus allen Ecken des Reiches waren wahllos zusammengerafft und präsentiert worden, aber es wirkte alles unfertig, ja chaotisch. Goran wusste, was wertvoll war, aber es fehlte ihm jeder Sinn für Ästhetik. Allein die Farbkompositionen verursachten beim bloßen Anblick Augenschmerzen. Wir endeten in einer Art Arbeitszimmer, dominiert von einem mit Goldlack verzierten Eichenholztisch und einem gigantischen Selbstporträt des Hausherrn, das von einem begabten Künstler erstellt worden war. Die Begabung war allein schon dadurch ersichtlich, dass das Bild sowohl die Verschlagenheit wie auch die Dummheit des Porträtierten gleichzeitig wiedergab. Die Tatsache, dass Goran es trotzdem aufgehängt hatte, illustrierte sowohl seinen überbordenden Narzissmus wie auch seine eklatanten intellektuellen Defizite.
    Er war dick geworden, Woldans Bruder. Umgeben von Luxus und allem Überfluss, waren seine Haut weißlich und weich, seine Finger dicklich und wirkte der sorgsam gepflegte Backenbart auf dem Doppelkinn fahl und wie aufgemalt. Nur sein Blick war klar, konzentriert, fokussiert und misstrauisch. Ich durfte diesen Mann nicht unterschätzen.
    Wir setzen uns auf mit Brokat besetzte Sessel, in die wir tief einsanken. Diener in Uniformen brachten uns Dinge, die ich größtenteils nicht einmal identifizieren konnte. Ich nippte schließlich an einem scheußlich süßen Wein, der bestimmt sündhaft teuer war.
    Woldan nickte seinem Bruder zu. »Du siehst gut aus«, log er.
    »Nein, sehe ich nicht«, erwiderte dieser. »Was willst du? Ich habe erst in zwei Monaten Geburtstag.«
    »Du benötigst meine Glückwünsche nicht.«
    »Stimmt. Du kämpfst immer noch für Geradus?«
    Woldan zuckte mit den Schultern. »Gewissermaßen. Ich bin jetzt Dorfschulze.«
    Goran stieß ein meckerndes Lachen aus. »Dorfschulze! Mann! Aus dir ist ja echt was geworden!«
    » Ich habe jetzt wieder eine Frau und Kinder«, sagte Woldan leise.
    Goran schwieg, das Lachen war aus seinem Gesicht verschwunden. Er nickte langsam. »Das ist gut«, sagte er dann ohne jede Ironie. Er wandte sich mir zu.
    »Und du bist Baron, Hauptmann?«
    »So nennt man mich.«
    »Herr einer abgelegenen, von den Göttern verlassenen Provinz?«
    »Es ist etwas rustikal, ja.«
    »Und ein Drittel hast du gleich in deinem ersten Herrschaftsjahr Barbaren überlassen, großer Kriegsheld?«
    Ich nickte. Natürlich war Goran informiert. Informationen waren ihm ein wichtiges Kapital. Darin hatte er sich immer ausgezeichnet.
    »Was willst du von mir? Einen Kredit für dein armseliges Land?« Er lachte wieder das meckernde Lachen. Goran war neben seinen sonstigen unangenehmen Angewohnheiten auch als übler Kredithai gefürchtet. Er würde mich, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Messer laufen lassen.
    »Nein, ich bin flüssig. Sogar sehr flüssig.«
    Gorans Augen verengten sich. »Da habe ich anderes gehört. Selbst der fiese Olifek hat von dir

Weitere Kostenlose Bücher