Ein Lord zu Tulivar (German Edition)
abgelassen.«
»Dinge ändern sich.«
»Soso.« Goran war nicht überzeugt.
»Deswegen sind wir hier«, meinte Woldan. Goran lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er tat gelangweilt, aber ich wusste, dass wir sein Interesse geweckt hatten. Er würde zuhören.
»Was gibt es, Bruder?«
Ich ergriff das Wort.
»Wie du gehört hast, Goran, haben wir in Tulivar ein Problem mit Bergkriegern, die das nördlichste Dorf bedrohen, dessen Verteidigung mir nicht möglich ist.«
Goran schüttelte den Kopf. »Nein, dein Problem sind die Levellianer.«
»Ja, die auch. Aber selbst ohne ihren Einfluss waren die Bergkrieger immer eine Pest. Ich will das Problem lösen.«
»Du brauchst mein Geld für eine Söldnerarmee.«
»Fast.«
Goran grinste. »Ich leih dir was.«
»Nein, du wirst die Truppe aus eigener Tasche bezahlen und dauerhaft in einem Kastell jenseits der Nordgrenze stationieren.«
Für einen Moment brachte Woldans Bruder nicht mehr als ein Blinzeln zustande. Dann holte er tief Luft.
»Hauptmann, ich kenne dich jetzt schon sehr lange. Du bist nicht völlig verblödet. Tatsächlich bist du einer der wenigen, die mich erfolgreich beklaut haben. Dafür respektiere ich dich. Irgendwie.«
Goran war alt geworden, das merkte ich jetzt. Früher hätte er nur gelacht, mich beleidigt und dann rausgeworfen. Jetzt faltete er die Hände über dem dicken Bauch zusammen und sah mich mit seiner Version von Altersweisheit an, ein Schauspiel, das ihm dann doch nicht stand.
»Also vermute ich mal«, fuhr er fort, »dass du einen wirklich, wirklich guten Grund hast, weswegen ich so etwas absolut Absurdes tun sollte.«
Ich lächelte, griff in meinen Rucksack und holte das Argument hervor.
Es wog gut einen Kilo und war ein Stück Nordgebirge. Ein massives, glänzendes Stück. Das größte Goldnugget, das ich je erblickt hatte. Nejas Einstandsgeschenk.
Gorans Augen weiteten sich. Er nahm das Nugget ungefragt in die Hände, prüfte die Konsistenz und entblödete sich nicht einmal, daran zu lecken. Er bemühte sich um Gleichmut, doch die Gier, die in seinen Augen aufloderte, war unverkennbar.
»Erzähl mehr, Baron.«
Oh, er nannte mich Baron.
Wir hatten offenbar eine Abmachung.
Als wir das Haus verließen und Woldan vorschlug, eine Taverne aufzusuchen, mochte ich nicht widersprechen. Ich hatte einen ganz furchtbaren Geschmack in meinem Mund.
25 Nach Norden
Als wir nach Tulivar zurückkehrten, hatte die Saat schon begonnen. Die ganze Provinz erwachte aus dem Winterschlaf. Ich war kein Mann bäuerlicher Herkunft und hatte den Erfordernissen des Ackerbaus niemals besondere Aufmerksamkeit geschenkt, obgleich ich so manche Nacht auf Äckern zugebracht hatte. Ich war diesmal aber bestrebt, mir die Entwicklung genauer anzusehen, denn ich hatte Nejas Versprechen, dass sie ihren Teil des Paktes einhalten würde, indem sie – unter anderem – für eine ertragreiche Ernte sorgen würde. Ich wiederum hatte ihr zusichern müssen, an gewissen Stellen weder Straßen noch Siedlungen zu errichten, bestimmte Waldstücke nicht für den Einschlag freizugeben, an genau beschriebenen Stellen keine Fischerei zuzulassen und einige andere Dinge zu tun, deren Sinn sich mir nicht unmittelbar erschloss, deren Durchführung jedoch weder Aufwand noch Kosten verursachte.
Wenn Tulivar erwachte, dann bedeutete das dieses Jahr so einiges. Die an die Flüchtlinge aus Felsdom und die hiergebliebenen Söldner verteilten Höfe und Ländereien würden erstmals ordentlich bestellt werden. Und die lange Winterperiode würde, nicht nur bei Selur oder mir, hoffentlich für Anzeichen eines bitter benötigten Bevölkerungswachstums gesorgt haben. Ich begann, mit Mott das alte Tempelverzeichnis der Geburten auf den neuesten Stand zu bringen. Dabei fiel mir auf, dass der Tempel zu Tulivar keinen Abt mehr hatte, nur noch drei einfache Priester, und dass es meine Aufgabe als Baron war, diese Vakanz zu besetzen. Wenn ich mit etwas noch weniger zu tun hatte als mit Landwirtschaft, dann mit Religion. Im Krieg hatten zu viele grausame Menschen die Namen der Götter auf den Lippen geführt, um sehr böse Dinge zu tun, und das auf beiden Seiten. Die Götter hatten sich nicht weiter eingemischt. Das widersprach etwas meinem Empfinden von Gerechtigkeit. Seitdem ließ ich Religion denen, die noch Hoffnung damit verbanden.
Nichtsdestoweniger waren die Tempel wichtig, sowohl in Bezug auf die Wirtschaft – sie bewirtschafteten traditionell eigene Ländereien,
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