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Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Ein Lord zu Tulivar (German Edition)

Titel: Ein Lord zu Tulivar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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können gleich morgen aufbrechen.« Ich machte eine kunstvolle Pause. »Wir werden morgen aufbrechen, Woldan. Es gibt kein Vertun.«
    Mein alter Freund wusste, wann er verloren hatte, und ergab sich in sein Schicksal. Frida schien zwar etwas betrübt, blieb aber guter Dinge, was ihm sicher half, den Abschiedsschmerz unter Kontrolle zu halten. Ich rechnete nicht damit, dass unser Aufenthalt in Skoberg allzu lange dauern würde. Spätestens in fünf Wochen würden wir wieder zurück sein.
    Der Rest des Tages verging mit Reisevorbereitungen, die Woldan nun, da er die Unausweichlichkeit des Aufbruchs akzeptiert hatte, mit Nachdruck vorantrieb. Ich ging davon aus, dass das Dorf einige Zeit ohne die Anwesenheit seines Schulzen überleben würde. Lorn, so hatte ich erfahren, vergrub sich in seinem Haus und wurde kaum noch gesehen. Es war deutlich, dass die Mehrheit der Dorfbewohner sich mit der Realität arrangiert hatte.
    Doch selbst, wenn nicht, wäre es notwendig gewesen, Woldan mitzunehmen. Dieser hatte seinem Bruder bei unserer letzten Begegnung eins aufs Auge gegeben, das war so. Ich aber hatte meine Klinge durch seinen Oberarm getrieben und mich danach mit zwei Beuteln voller Gold und Edelsteine davongemacht. Ich war nicht sonderlich stolz darauf, aber ich hatte einen üblen Dieb bestohlen, was ich für ausgleichende Gerechtigkeit hielt.
    Wie dem auch sei, Woldan musste mit.
    Nur so konnte ich erreichen, dass Goran mich anhörte und nicht gleich umbrachte.
        
     

24   Skoberg
     
    Das Tauwetter setzte so richtig ein, als wir Bell erreichten und damit die Straße in Richtung Skoberg. Dabei handelte es sich um die zweitgrößte Stadt der Grafschaft Thunhall, die direkt südlich von Bell lag, nur ein paar Kilometer von der Grenze entfernt. Wir hatten uns auf die Reise gut vorbereitet und genossen nach der langen Winterpause die Tatsache, dass wir unterwegs waren. Auch unsere Pferde schienen über die Bewegungsmöglichkeit erfreut zu sein, sie trugen uns mit unermüdlicher Begeisterung erst über bessere Trampelpfade, bis wir auf die ausgebauten Straßen kamen. Wir ritten vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, legten nur gelegentliche Pausen ein – mehr für die Tiere, weniger für uns – und kamen ausgezeichnet voran. Die Reise verlief zudem ereignislos, sodass meine Kalkulation von zwei Wochen Reisedauer sogar leicht unterboten wurde: Am Abend des dreizehnten Tages durchritten wir die Stadttore von Skoberg, kurz bevor sie für die Nacht verschlossen wurden, und nahmen uns ein Zimmer in einer einigermaßen ordentlichen Herberge.
    Schon am nächsten Tag fragten wir nach Woldans Bruder herum. Da war nicht einmal besondere Vorsicht notwendig, denn die Präsenz dieses Mannes war in der Stadt unverkennbar. Er hatte Reichtum angehäuft und die Hälfte der Stadtoberen in der Tasche, wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte. Er galt immer noch als windiger Hund, der mehr Misstrauen und Angst als alles andere hervorrief. Im Grunde hatte sich also nichts geändert. Goran residierte standesgemäß in einer großen Stadtvilla, abgeriegelt durch einen gusseisernen Zaun mit einem großen Eisentor, vor dem zwei vierschrötige Kerle mit unzweideutiger Herkunft und unzweideutigen Absichten standen. Ihre Aufgabe war es, jeden abzuschrecken, der nicht wirklich etwas mit ihrem Herrn zu tun hatte. Wir marschierten furchtlos auf die Wachleute zu. Ich hatte genug lebende Schränke gesehen, als dass mich diese beiden Exemplare ernsthaft aus dem Gleichgewicht bringen konnten.
    Woldan übernahm das Sprechen. »Wir wollen zu Goran«, sagte er, ehe einer der Wachmänner den Mund öffnen konnte. »Sagt ihm, sein Bruder ist da.«
    Die beiden Krieger wechselten einen Blick, dann grinste einer anerkennend. »Nicht übel. Den Trick hat noch keiner versucht. Dafür hau ich dir auch nicht gleich eins aufs Maul, sondern sage dir nett, dass du abhauen sollst.«
    Woldan wirkte kaum beeindruckt.
    »Ich bin Woldan, Gorans Bruder. Vor sechs Jahren habe ich ihm ein blaues Auge verpasst. Mein Freund hier hat seinen Arm filetiert. Fragt mal nach.«
    Der eine Wachmann kicherte. Der andere aber schien schon etwas länger in Diensten seines Herrn zu stehen, denn seine Augen verengten sich. Offenbar mobilisierte er ungeahnte intellektuelle Reserven, denn man sah ihm die Anstrengung des Nachdenkens förmlich an. Sein Erinnerungsvermögen, soweit noch nicht durch Wein und Bier völlig zersetzt, schien ihn noch nicht völlig verlassen zu

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