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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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die ja zur schmerzlichsten Enttäuschung führen könnten. Vor Ihnen aber, Frau Hansen, spreche ich aus, was ich denke. Und daß Ole todt sei… nein, ich kann es nicht glauben… nein, ich will es nicht glauben… nein, ich glaub’ es eben nicht!«
    Auf dem Gebiete, nach welchem das Gespräch jetzt hinübergespielt war, konnte Frau Hansen mit dem Professor nicht mehr streiten. Die im Grunde ebenfalls etwas abergläubische Norwegerin schwieg also still und senkte den Kopf, als fürchte sie, Ole jeden Augenblick vor sich auftauchen zu sehen.
    »Ueberdies, Frau Hansen, fuhr Sylvius Hog fort, hatten Sie, ehe in dieser Weise über Huldas Lotterie-Loos verfügt wurde, eine sehr einfache Sache zu thun, was Sie jedoch unterlassen haben.
    – Was meinen Sie damit, Herr Hog?
    – Sie hätten sich erst an Ihre Freunde, an die Freunde Ihrer Familie wenden sollen; diese hätten sich gewiß nicht geweigert, Ihnen zu helfen, indem Sie sich entweder bei Sandgoïst für Sie verbürgten oder Ihnen den nothwendigen Betrag verschafften, um jenen zu befriedigen.
    – Ich habe keine Freunde, die ich um einen solchen Liebesdienst hätte angehen können, Herr Hog.
    – Darin dürften Sie wohl irren, Frau Hansen, denn Einen solchen kenne ich selbst, der Ihrem Wunsche ohne Zögern, schon aus herzlicher Dankbarkeit, gerne entsprochen hätte.
    – Und wer wäre das?
    – Sylvius Hog, der Abgeordnete des Storthing.«
    Frau Hansen konnte darauf nichts erwidern und begnügte sich mit einer Verbeugung vor dem Professor.
    »Doch was geschehen ist, ist leider geschehen, nahm Sylvius Hog wieder das Wort. Ich würde Ihnen also dankbar sein, Frau Hansen, wenn Sie dieses Gesprächs, auf welches zurückzukommen ja doch nutzlos wäre, gegen Ihre Kinder nicht erwähnen wollten.«
    Damit gingen Beide auseinander.
    Der Professor hatte seine gewöhnliche Lebensweise wieder aufgenommen und seine täglichen Spaziergänge wieder begonnen. Während weniger Tage besuchte er mit Joël und Hulda die Umgebung von Dal, ohne dabei jemals zu weit zu wandern, um das junge Mädchen nicht zu übermüden. Ins Zimmer zurückgekehrt, beschäftigte er sich mit seinem stets sehr umfassenden Briefwechsel und sendete ein Schreiben nach dem anderen nach Bergen oder nach Christiania.
    Er bemühte sich, den Eifer aller Derjenigen noch weiter anzufeuern, die jetzt den menschenfreundlichen Versuch der Nachforschung nach dem verschollenen »Viken« unternahmen. Sein ganzes Leben ging auf in dem einen Gedanken, Ole zu finden, nur Ole wieder aufzufinden.
    Er hielt es auch für nothwendig, noch einmal für vierundzwanzig Stunden nach auswärts zu gehen, gewiß aus einem Grunde, der mit jener, die Familie Hansen so nahe berührenden Angelegenheit in innigem Zusammenhange stand; er bewahrte jedoch wie immer das strengste Stillschweigen über das, was er darin that oder thun ließ.
    Die Gesundheit der so schwer geprüften Hulda machte nur sehr langsam einige Fortschritte. Das arme Mädchen lebte nur noch von der Erinnerung an Ole, aber die Hoffnung, welche sich zuerst noch mit dieser Erinnerung verband, wurde von Tag zu Tag schwächer. Und doch sah sie neben sich die beiden Wesen, welche sie auf der Welt am meisten liebte, und Einer derselben unterließ es niemals, ihr Muth zuzusprechen. Doch genügte das schon allein? Galt es nicht auch, sie um jeden Preis zu zerstreuen? Wie sollte man sie aber von den Gedanken, welche ihre ganze Seele erfüllten, ablenken, von den Gedanken, die sie wie mit Eisenketten an den Schiffbrüchigen vom »Viken« schmiedeten?
    So kam der 12. Juli heran.
    Binnen vier Tagen sollte die Lotterie der Schulen von Christiania gezogen werden.
    Selbstverständlich war die von Sandgoïst in die Hand genommene Speculation inzwischen zu allgemeiner Kenntniß gekommen.
    Auf sein Betreiben und im bezahlten Auftrage des Wucherers hatten die Tagesblätter die Anzeige gebracht, daß das »berühmte, vom Himmel gesendete Loos« mit der Nummer 9672 sich jetzt im Besitze des Herrn Sandgoïst in Drammen befinde, der es zum Verkauf stelle und dem Meistbietenden überlassen wolle; daß Herr Sandgoïst Besitzer dieses Lotterie-Looses sei, komme daher, daß er es um einen hohen Preis von Hulda Hansen in Dal erstanden habe.
    Man begreift, daß solche Anzeigen das junge Mädchen in der öffentlichen Achtung herabsetzen mußten. Wie? Jene Hulda hatte sich, bestochen durch einen hohen Preis, verleiten lassen, das Loos des Schiffbrüchigen, das Loos Ole Kamp’s, ihres Verlobten, zu

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