Ein Lotterielos. Nr. 9672
gereichen und – ich wiederhole, mit
deiner Zustimmung – würde ich ihnen anbieten, einen Tag
in Dal zuzubringen. Es sind brave Leute, die Ole herzlich
lieben, und ich bin überzeugt, daß sie die Einladung anneh-
men werden.«
»Ist es denn notwendig«, warf Frau Hansen ein, »daß wir
die Hochzeit mit so großem Aufwand feiern?«
»Ich glaub’ schon, Mutter, und es scheint mir schon al-
lein angezeigt im Interesse unseres Gasthauses hier in Dal,
das doch, soviel ich weiß, seit dem Tod des Vaters an Wert
und Ansehen nicht verloren hat.«
»Nein . . . Joel . . . nein!
»Ist es nicht geradezu unsere Pflicht, es wenigstens in
demselben Zustand zu erhalten, wie er es hinterlassen hat?
Wenn das der Fall ist, halte ich es auch für nützlich, der
Hochzeit meiner Schwester etwas äußeren Glanz zu verlei-
hen.«
»Nun ja, du hast recht, Joel.«
— 53 —
»Und ist es dann nicht Zeit, daß Hulda sich mit den nöti-
gen Vorbereitungen beschäftigt, damit von ihrer Seite keine
Verzögerung eintritt? Was meinst du dazu, liebe Mutter?«
»Du und Hulda, ihr mögt für alles sorgen, was ihr für
nötig haltet«, antwortete Frau Hansen.
Nach Obigem gewinnt es vielleicht den Anschein, als ob
Joel etwas zu sehr drängte, während es richtiger gewesen
wäre, erst die Heimkehr Oles abzuwarten, um den Tag der
Trauung zu bestimmen und die nötigen Vorbereitungen zu
beginnen. Er meinte jedoch, was einmal getan sei, brauchte
nicht erst noch getan zu werden; ferner werde Hulda eine
Zerstreuung finden, wenn sie sich mit den tausend Einzel-
heiten beschäftigte, die ein Vorhaben dieser Art allemal mit
sich bringt. Ihm erschien es wichtig, sie von ihren schlim-
men Ahnungen, die bis jetzt übrigens durch gar nichts be-
kräftigt wurden, sich nicht allzusehr einnehmen zu lassen.
Zunächst galt es nun die Wahl einer Brautjungfer, die je-
doch keine Schwierigkeiten bereiten konnte, da sie schon
im voraus getroffen war. Als solche mußte ein liebenswür-
diges, junges Mädchen aus Bamble, die vertrauteste Freun-
din Huldas, fungieren. Ihr Vater, der Pächter Helmboe, be-
wirtschaftete einen der größten Gaards der ganzen Provinz.
Der wackere Mann war auch nicht ohne Vermögen. Schon
seit längerer Zeit hatte er den achtenswerten Charakter Joels
kennengelernt, und – wir dürfen es wohl aussprechen –
seine Tochter schätzte den jungen Mann nicht minder auf
ihre Weise. Es lag sonach die Wahrscheinlichkeit nah, daß
Hulda, nachdem Sigrid erst bei ihr als Ehrenjungfrau ge-
— 54 —
dient, dieser in nicht ferner Zeit den Liebesdienst vergelten
konnte. Das geschieht nämlich in Norwegen nicht selten,
denn in den meisten Fällen bleibt diese angenehme Aufgabe
verheirateten Frauen vorbehalten. Es lag also eine gewisse
Berechnung zugunsten Joels zugrunde, wenn Sigrid Helm-
boe der Hulda Hansen diesen Ehrendienst leistete.
Eine sehr wichtige Frage, sowohl für die Braut, als auch
für die Brautführerin, bildete die Toilette, die sie für den
Trauungstag anlegen würden.
Sigrid, eine reizende Blondine von 18 Jahren, wünschte
dabei auf jeden Fall den vorteilhaftesten Eindruck zu ma-
chen. Durch eine vertrauliche Mitteilung ihrer Freundin
Hulda, die Joel ihr persönlich überbrachte, beschäftigte sie
sich, ohne eine Minute zu verlieren, mit dieser Angelegen-
heit, die allemal etwas Kopfzerbrechen verursacht.
Sie brauchte dazu nämlich ein bestimmtes Leibchen,
dessen Stickereien in regelmäßigen Mustern so angeord-
net waren, daß sie die Taille Sigrids wie glänzendes Email
umschlossen. Ferner gehörte dazu ein Rock, der eine ganze
Reihe Unterröcke bedeckte, welche der Zahl nach den Ver-
mögensverhältnissen Sigrids entsprachen, ohne daß sie da-
durch an der Gefälligkeit ihrer persönlichen Erscheinung
Einbuße erleiden durfte. Was den Schmuck betrifft, war es
auch wichtig, die Mittelplatte der Halskette aus Silberfiligran
und Perlen zu wählen, die Brosche für das Leibchen aus ver-
goldetem Silber oder aus Kupfer, die Ohrgehänge in Herz-
form mit freibeweglichen Scheibchen; die Doppelknöpfe,
die dazu dienen, den Hals des Hemdes gleich Agraffen zu
— 55 —
— 56 —
schließen, den Gürtel aus roter Wolle oder Seide, von denen
vier Reihen Kettchen herabhängen, die Ringe mit kleinen
Eicheln, die mit harmonischem Klang aneinander schlagen,
die Armspangen aus durchbrochenem Silber – mit einem
Wort, jenen ganzen ländlichen Schmuck, bei dem
Weitere Kostenlose Bücher