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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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    »Ich bin’s! . . . Da bin ich!«
    Es galt also, sich nur noch ein wenig zu gedulden. Übri-
    gens war alles bereit. Sigrid bedurfte nur eines Winks, um
    in vollem Festschmuck zu erscheinen.
    Der 16. und 17. verliefen ohne Änderung der Lage, und
    das Postschiff von Neufundland hatte auch keinen weiteren
    Brief gebracht.
    »Darüber brauchst du dich nicht zu wundern, Schwes-
    terchen«, wiederholte Joel häufiger. »Ein Segelschiff kann
    zu leicht Verzögerungen erleiden. Die Fahrt von Saint Pierre
    Miquelon bis Bergen ist immerhin ziemlich lang. Ach, daß
    die ›Viken‹ kein Dampfer ist und ich nicht an der Maschine
    stehe! Ich wollte sie schon mit Gewalt gegen Wind und
    Wellen laufen lassen, und wenn mir, im Hafen angekom-
    men, auch der Kessel platzte!«
    Er führte solche Reden gern, weil er Huldas Unruhe von
    Tag zu Tag wachsen sah.
    Gerade jetzt herrschte übrigens recht schlechtes Wetter
    in Telemarken. Rauhe Winde jagten über die hohen Fjelds,
    und diese von Westen wehenden Winde kamen von Ame-
    rika her.
    »Sie müßten doch eigentlich die Fahrt der ›Viken‹ be-
    schleunigen«, sagte das junge Mädchen wiederholt.
    »Ohne Zweifel«, antwortete Joel, »doch wenn sie gar zu
    zeitig sind, können sie sie auch behindern und zwingen,
    sich dem Sturm gerade entgegen zu halten. Auf dem Meer
    tut man nicht immer, was man eben möchte.«
    »Du bist also nicht unruhig, Joel?«
    — 60 —
    »Nein, Hulda, gewiß nicht! Solche Verzögerungen sind
    ja sehr bedauerlich, aber ebenso natürlich. Nein, ich bin
    nicht unruhig darum, und wir haben auch gar keine Ursa-
    che, es zu sein.«
    Am 19. traf in dem Gasthaus ein Reisender ein, der ei-
    nen Führer wünschte, um ihn auf dem Weg übers Gebirge
    bis nach der Grenze von Hardanger zu begleiten. Obwohl
    es ihm recht unangenehm war, Hulda sich selbst zu über-
    lassen, konnte Joel das Verlangen des Fremden doch nicht
    abschlagen. Er gedachte dabei höchstens 48 Stunden auszu-
    bleiben und hoffte, bei der Rückkehr endlich Ole anzutref-
    fen. In Wahrheit fing der brave junge Mann allerdings an,
    sich ernstlich zu beunruhigen; er ging also an diesem Mor-
    gen mit recht schwerem Herzen fort.
    Am folgenden Tag, genau um 1 Uhr nachmittags, klopfte
    jemand an die Tür des Gasthauses.
    »Sollte das Ole sein?« rief Hulda.
    Sie sprang auf, um zu öffnen.
    Vor dem Haus zeigte sich, noch auf dem Sitz des Schuß-
    karrens, ein Mann im Reisemantel, dessen Gesicht ihr völlig
    unbekannt war.
    VI.
    »Ist das das Gasthaus von Frau Hansen?«
    »Jawohl«, antwortete Hulda.
    »Ist wohl Frau Hansen selbst zu Hause?«
    »Nein, doch sie wird bald wiederkommen.«

    — 61 —
    — 62 —
    »Bald?«
    »Augenblicklich; wenn Sie vielleicht mit ihr zu sprechen
    haben . . .«
    »Keineswegs; ich habe ihr nichts zu sagen.«
    »Wünschen Sie ein Zimmer?«
    »Ja, das beste des Hauses.«
    »Und soll ich Ihnen ein Mittagsmahl herrichten?«
    »So schnell wie möglich, und sehen Sie darauf, daß mir
    das beste, was Küche und Keller bieten, vorgesetzt wird.«
    Diese Worte wurden zwischen Hulda und dem Reisen-
    den gewechselt, noch ehe dieser aus dem Wagen stieg, den
    er zur Fahrt durch die tiefen Wälder, über die Seen und
    durch die Talgründe des mittleren Norwegens bis ins Herz
    von Telemarken benutzt hatte.
    Man kennt wohl schon vielfach das Gefährt, den Trans-
    portapparat, den die Skandinavier ganz besonders bevorzu-
    gen: eine lange Gabeldeichsel, zwischen der ein Pferd mit
    Holzkummet läuft, das meist gelblich von Farbe und von
    starker Mähne ist. Es wird durch einen Strang geleitet, der
    nicht als Gebiß durch den Maul verläuft, sondern an der
    Nase befestigt ist. Dazu zwei große einfache Räder, deren
    federlose Achse einen kleinen farbigen, kaum für eine Per-
    son hinreichenden Sitzkasten trägt – von einem Verschlag,
    einem Schutzleder oder Fußtritt ist keine Rede – und hinter
    dem Sitz ein Brett, auf dem der »Skydskarl« Platz nimmt.
    Das Ganze ähnelt etwa einer gewaltigen Spinne, deren dop-
    peltes Netz die beiden Räder des Gefährts darstellen. Und
    mit diesem sehr urwüchsigen Werk der Wagenbaukunst
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    kann man sehr wohl Strecken von 15 bis 20 Kilometern
    ohne große Belastung zurücklegen.
    Auf ein Zeichen des Reisenden beeilte sich dessen Bur-
    sche, das Pferd zu halten. Dann erhob sich jene Persönlich-
    keit, schüttelte und streckte sich und stieg nicht ohne ei-
    nige Anstrengung herab, was man aus seinem übellaunigen
    Murren abnehmen konnte.
    »Mein

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