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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich nach seinem Zimmer zurück und
    verriegelte dessen Tür. Während des Abends und der Nacht
    war nichts weiter von ihm zu hören.
    Der Skydskarl hatte unter dem Schuppen für die Nacht
    Obdach gesucht. Hier schlief er schon zwischen der Wagen-
    deichsel neben seinem gelblichen Pferd und unbekümmert
    um Sturm und Wetter draußen.
    Am folgenden Tag erhoben sich Frau Hansen und ihre
    Tochter mit dem Morgenrot. Aus dem Zimmer des Reisen-
    den, der noch zu schlafen schien, hörte man kein Geräusch.
    Etwas nach 9 Uhr erst trat er in die große Gaststube mit wo-
    möglich noch grämlicherem Aussehen als gestern, beklagte
    sich über das Bett, das zu hart sei, über den Lärm im Haus,
    der ihn aufgeweckt habe, würdigte aber niemand eines Gru-
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    ßes. Dann öffnete er die Tür und betrachtete die Beschaf-
    fenheit des Himmels.
    Das Wetter sah nicht gerade zum besten aus. Ein schar-
    fer Wind fegte über die Gipfel des Gusta, der von Dunst-
    wolken verhüllt war, und fing sich im Tal, das er in heftigen
    Stößen durchtobte.
    Der Reisende zögerte herauszutreten, trotzdem verlor
    er seine Zeit noch nicht. Seine Pfeife rauchend ging er im
    Gasthaus umher, suchte die innere Einrichtung kennenzu-
    lernen, besah sich die verschiedenen Zimmer, musterte die
    Möbel und Geräte, öffnete Wandschränke und Schubladen
    und benahm sich überhaupt, als ob er sich in den eigenen
    vier Wänden befände. Man hätte ihn wohl auch für einen
    Gerichtsbeamten halten können, der zwecks einer Zwangs-
    versteigerung ein Inventar aufnahm.
    Entschieden trat der Mann sonderbar auf und sein Vor-
    gehen wurde immer verdächtiger.
    Nachdem das geschehen war, nahm er in dem großen
    Lehnstuhl der Gaststube Platz und richtete mit kurz ab-
    gebrochener ruhiger Stimme an Frau Hansen einige Fra-
    gen. Seit wie lange das Gasthaus schon erbaut wäre; ob
    ihr Mann Harald es erst errichtet oder schon erblich über-
    nommen habe; ob sich schon Reparaturen notwendig ge-
    macht hätten; wie viel Flächeninhalt die Umfriedigung ein-
    schließe und wie viel der dazu gehörige Garten habe; ob sie
    gute Kundschaft hätte und ihr Haus sonst gelobt würde; wie
    viele Touristen im Durchschnitt jedes Jahr hier vorsprächen
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    und ob sie gewöhnlich nur einen oder mehrere Tage hier-
    blieben, und dergleichen mehr.
    Offenbar hatte der Reisende nicht von dem in seinem
    Zimmer niedergelegten Fremdenbuch Einsicht genommen,
    denn das hätte ihm wenigstens über die letzte Frage Auf-
    schluß gegeben.
    Wirklich fand sich das Buch noch an der Stelle, wo es
    Hulda hingelegt hatte, und der Name des Reisenden stand
    noch nicht darin.
    »Mein Herr«, sagte da Frau Hansen, »ich begreife eigent-
    lich nicht, wie all diese Dinge für Sie Interesse haben kön-
    nen. Doch wollen Sie erfahren, wie unsere Geschäfte hier
    gehen – nichts leichter als das. Sie brauchen nur das Frem-
    denbuch zu durchblättern. Ich möchte Sie auch bitten, wie
    es allgemein Sitte ist, Ihren Namen einzutragen . . .«
    »Meinen Namen? Gewiß werd’ ich meinen Namen ein-
    schreiben, Frau Hansen! Ich werde ihn einschreiben, wenn
    ich mich von Ihnen verabschiede.«
    »Sollen wir Ihnen das Zimmer noch aufheben?«
    »Das ist unnötig«, erwiderte der Reisende sich erhebend.
    »Ich werde schon nach dem Frühstück abreisen, um heute
    abend wieder in Drammen zu sein.«
    »In Drammen?« fragte Frau Hansen.
    »Ja, sorgen Sie also, daß ich schnell bedient werde.«
    »Sie wohnen wohl in Drammen?«
    »Ja, ist etwas so Außergewöhnliches dabei, daß ich in
    Drammen wohne?«
    Nachdem er also kaum einen Tag in Dal oder vielmehr
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    nur im Gasthaus dort zugebracht, kehrte dieser Reisende
    wieder zurück, ohne vom Land etwas gesehen zu haben. Er
    betrat den Bezirk nicht weiter. Um den Gusta, den Rjukan-
    fos, um die Wunder des Vestfjorddals kümmerte er sich
    nicht im mindesten. Nicht um des Vergnügens, sondern ge-
    wiß nur um irgendeines Geschäfts willen hatte er Dram-
    men, wo er wohnte, verlassen, und es schien, als habe er gar
    keinen anderen Zweck gehabt, als den, das Haus von Frau
    Hansen aufs eingehendste zu besichtigen.
    Hulda sah recht wohl, daß ihre Mutter auffallend be-
    kümmert war. Frau Hansen hatte sich wieder in den gro-
    ßen Lehnstuhl gesetzt, stieß das Spinnrad zurück und blieb,
    ohne ein Wort zu sagen, unbeweglich sitzen.
    Der Reisende war inzwischen nach dem Speisezimmer
    gegangen und hatte am Tisch Platz genommen.
    Das ebenso sorgfältig wie das gestrige

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