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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schweigen
    können? Eher schien es, als wenn damit ein Riß in dem
    Freundschaftsband entstände, das die beiden Geschwister
    — 81 —
    von jeher vereinte. Denn diese Freundschaft durfte nim-
    mermehr gelockert werden! Hulda entschloß sich also, zu
    reden.
    »Du hast niemals von diesem Sandgoist reden hören,
    wenn du nach Drammen kamst?« ergriff sie wieder das
    Wort.
    »Niemals.«
    »Nun, so wisse denn, daß unsere Mutter ihn, wenigstens
    dem Namen nach, schon kannte.«
    »Sie kannte Sandgoist?«
    »Ja, Bruder.«
    »Doch hab’ ich sie diesen Namen noch nie nennen hö-
    ren.«
    »Aber sie kannte ihn, obwohl sie diesen Mann vor sei-
    nem gestrigen Besuch gewiß niemals gesehen hatte?«
    Hulda erzählte ihm alle auffallenden Erscheinungen
    während des Aufenthalts jenes Reisenden im Gasthaus,
    ohne die fast verblüffende Handlungsweise von Frau Han-
    sen bei der Abfahrt Sandgoists unerwähnt zu lassen. Dann
    fügte sie noch hinzu:
    »Ich denke, Joel, es ist besser, unsere Mutter nicht da-
    nach zu fragen. Du kennst sie ja. Sie würde dadurch nur
    unglücklicher werden. Die Zukunft wird es ja noch enthül-
    len, was uns bisher verborgen blieb. Gebe der Himmel, daß
    Ole bald zurückkehrt, und wenn ein Unglück unsere Fami-
    lie bedrohte, wären wir wenigstens drei, es zu teilen!«
    Joel hatte seiner Schwester mit schweigender Aufmerk-
    samkeit zugehört. Ja, zwischen der Mutter und jenem Sand-
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    goist bestand irgendein Verhältnis, das die erstere von letz-
    terem völlig abhängig machte. Nach dem Vorgefallenen
    konnte man ja nicht daran zweifeln, daß jener nur gekom-
    men war, um sich ein Inventarverzeichnis des Gasthauses
    von Dal zu verschaffen. Und das Zerreißen der Rechnung
    in dem Augenblick, da jener abfahren wollte, was ihm noch
    dazu fast selbstverständlich erschienen war, was konnte das
    bedeuten?
    »Du hast recht, Hulda, ich werde der Mutter gegenüber
    hiervon nichts erwähnen. Vielleicht bereut sie es einst
    noch, sich uns nicht anvertraut zu haben. Wenn es nur nicht
    schon zu spät ist! O, sie mag wohl schwer leiden, die arme
    Frau! Warum ist sie so verschlossen? Warum begreift sie
    nicht, daß das Herz der Kinder geschaffen ist, ihre Sorgen
    in es zu ergießen?«
    »Sie wird es noch einsehen, Joel.«
    »Ja, also warten wir ab. Doch inzwischen wird es mir
    nicht verwehrt sein können, zu erfahren zu suchen, wer und
    was jenes Individuum ist. Vielleicht kennt ihn Herr Helm-
    boe. Ich werde ihn fragen, sobald ich wieder nach Bamble
    komme, und wenn es sein muß, begebe ich mich sogar
    selbst nach Drammen. Dort kann es nicht schwer sein, aus-
    zukundschaften, was dieser Mann betreibt, welche Art Ge-
    schäfte er macht und was die Leute darüber urteilen.«
    »Nichts Gutes, das glaube ich bestimmt«, erwiderte
    Hulda. »Seine Erscheinung ist abstoßend, und er hat einen
    bösen Blick; es sollte mich sehr wundern, wenn unter dieser
    rauhen Außenseite eine edelmütige Seele wohnte.«
    — 83 —
    »Ei nun«, entgegnete Joel, »wir wollen die Leute nicht
    nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen. Ich wette dar-
    auf, du würdest ihn ganz anders ansehen, wenn jener Sand-
    goist etwa wiederkäme und im Arm deinen Ole führte . . .«
    »Ach, mein armer Ole!« seufzte das junge Mädchen.
    »Der wird schon wiederkommen, er kommt wieder, er
    ist schon unterwegs!« rief Joel. »Hab nur Vertrauen, Hulda!
    Ole ist nicht mehr fern von uns, und wir werden es ihm ver-
    gelten, daß er so lange gezögert hat!«
    Der Regen hatte nachgelassen. Die Geschwister verlie-
    ßen die Hütte und schlugen den Fußpfad zum Gasthaus
    wieder ein.
    »Da fällt mir noch ein«, sagte Joel, »daß ich morgen wie-
    der fortgehe.«
    »Du willst wieder fort?«
    »Ja, schon am frühen Morgen.«
    »So zeitig, Bruder?«
    »Es muß sein, Hulda. Als ich von Hardanger heimkeh-
    ren wollte, wurde mir von einem meiner Kameraden gemel-
    det, daß ein Reisender von Norden her über die Höhen des
    Rjukanfos komme, wo er morgen eintreffen müsse.«
    »Wer ist der Reisende?«
    »Meiner Treu, ich weiß nicht einmal seinen Namen. Es
    ist aber notwendig, daß ich micht rechtzeitig einstelle, um
    ihn nach Dal zu führen.«
    »Nun, so geh, wenn du nicht anders kannst«, antwortete
    Hulda mit einem schweren Seufzer.
    — 84 —
    »Morgen mit Tagesanbruch mache ich mich auf den
    Weg. Das betrübt dich, Hulda?«
    »Ja, Bruder. Ich bin so unruhig, wenn du mich verläßt . . .
    und wär’s auch nur für wenige Stunden!«
    »Nun, so wisse, daß

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