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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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schändlichen Sandgoist befindet.«
    »Ole hat es gewünscht«, antwortete der Professor, »und
    wir haben die Pflicht, seinem Willen nachzukommen.«
    »Man sagt, der Wucherer in Drammen habe für dieses
    Los, das ihm so viel kostete, keinen Abnehmer finden kön-
    nen.«
    »Ja, das sagt man wohl, Herr Helmboe.«
    »Gut, so hat er, was er verdient, dieser schändliche Kerl,
    dieser Schurke, Herr Hog, ja . . . diesem Schurken ist ganz
    . . .«»Gewiß, Herr Helmboe, ganz recht geschehen!«
    Natürlich mußten alle auf dem Pachthof zu Abend essen.
    Weder Sigrid, noch deren Vater hätten ihre Freunde fortge-
    lassen, ohne daß sie diese Einladung annahmen. An einen
    längeren Aufenthalt war jedoch nicht zu denken, wenn die
    durch den Umweg über Bamble verlorenen Stunden in der
    Nacht wieder eingebracht werden sollten. Um 9 Uhr wur-
    den also die Pferde von der Schußstation durch einen Bur-
    schen aus dem Gaard geholt, der sie sofort anspannte.
    »Bei meinem nächsten Besuch, lieber Herr Helmboe«,
    sagte Sylvius Hog zu dem Pächter, »bleib’ ich, wenn Sie es
    wollen, 6 Stunden lang bei Tisch sitzen; heute aber bitte ich
    Sie um die Erlaubnis, die Nachspeise durch einen ehrlichen
    Handschlag zu ersetzen, den Sie mir nicht verweigern wer-
    den, und durch einen herzlichen Kuß, den Ihre reizende Si-
    grid meiner Hulda geben wird.«
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    Nachdem dies geschehen war, brach die kleine Gesell-
    schaft auf.
    In jener hohen Breite mußte die Dämmerung noch ei-
    nige Stunden andauern. Und auch lange nach Sonnenunter-
    gang blieb der Horizont noch deutlich sichtbar, so klar war
    heute die Atmosphäre.
    Es ist eine schöne, freilich ziemlich bergige Straße, die
    von Bamble über Hitterdal an der Südseite des Fol-Sees
    nach Kongsberg führt. Sie durchschneidet dabei den gan-
    zen Mittelteil von Telemarken, indem sie die Flecken, Wei-
    ler und Gaards der Nachbarschaft berührt.
    1 Stunde nach der Abfahrt konnte Sylvius Hog, ohne daß
    er hier anhielt, die Kirche von Hitterdal wahrnehmen, ein
    altes, höchst merkwürdiges Bauwerk, mit zinnengekrönten,
    aber ohne Rücksicht auf Regelmäßigkeit der Linien über-
    einandergepackten Stockwerken. Das Ganze besteht aus
    Holz, von den aus dicht aneinandergefügten Balken und
    sich dachziegelartig deckenden Planken bestehenden unte-
    ren Umfassungswänden an bis hinauf zum obersten Glo-
    ckentürmchen. Diese Aufhäufung von Pfefferbüchsen ist,
    wie es scheint, ein ehrwürdiges und hochverehrtes Denk-
    mal der skandinavischen Baukunst des 13. Jahrhunderts.
    Allmählich sank nun die Nacht herab, eine jener Nächte,
    die stets der letzte Schimmer des Tages durchzittert; ge-
    gen 1 Uhr früh mischte sie sich aber schon wieder mit dem
    neuen Morgengrauen.
    Auf dem Vordersitz saß Joel in Betrachtungen versun-
    ken; Hulda lehnte nachdenklich hinten im Wagens. Nur
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    dann und wann wurden einige Worte zwischen Sylvius Hog
    und dem Kutscher gewechselt, dem der Professor anemp-
    fahl, die Pferde tüchtig anzutreiben. Dann hörte man nichts
    als das Schellengeklingel der Bespannung, das Klatschen
    der Peitsche und das Knarren der Räder auf der tief ausge-
    fahrenen Straße.
    Ohne Pferdewechsel ging die Fahrt die ganze Nacht hin-
    durch fort.
    Es wurde nicht notwendig, in Listhus, einer nur mangel-
    haften Station, anzuhalten, die in einem Kessel tannenbe-
    deckter Berge verloren liegt, um die sich noch ein zweiter
    Kreis nackter und wilder Bergmassen erhebt. Man fuhr auch
    geradewegs durch Tiness, ein kleines, malerisches Örtchen,
    in dem einige Häuser auf besonderen Steinpfeilern errich-
    tet sind. Der Reisewagen rollte unter dem Geräusch seiner
    Eisenteile, dem Klappern halbgelockerter Bolzen und aus-
    gedehnter Federn ziemlich schnell dahin. Dem Roßlenker
    waren gewiß keine Vorwürfe zu machen – obgleich der gute
    Alte halb schlafend seine Zügel führte. Ganz mechanisch
    verteilte er zuweilen einige gutgemeinte Peitschenhiebe,
    von denen das linke Pferd die meisten erhielt. Das kam aber
    daher, daß das rechte Pferd ihm selbst, das linke dagegen
    seinem Hofnachbarn gehörte.
    Um 5 Uhr morgens schlug Sylvius Hog die Augen auf,
    streckte die Arme behaglich aus und sog mit Vergnügen
    den würzigen Tannenduft ein, der die ganze Atmosphäre
    erfüllte.
    Man war in Kongsberg. Der Wagen passierte die über
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    den Laagen führende Brücke und hielt jenseits davon an,
    nachdem er unfern der Wasserfälle von Larbrö an der Kir-
    che vorübergekommen

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