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Ein Lotterielos. Nr. 9672

Ein Lotterielos. Nr. 9672

Titel: Ein Lotterielos. Nr. 9672 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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war.
    »Liebe Freunde«, begann da Sylvius Hog, »wenn’s Ih-
    nen recht ist, werden wir hier nur die Pferde wechseln. Zu
    frühstücken ist es noch gar zu zeitig, drum ist es besser, wir
    machen erst in Drammen einen längeren Aufenthalt. Dort
    stärken wir uns durch eine tüchtige Mahlzeit und schonen
    dabei gleichzeitig unsern Mundvorrat von Herrn Benett.«
    Demgemäß begnügten sich der Professor und Joel vor-
    läufig mit einem Gläschen Branntwein im ›Hotel des Mi-
    nes‹, und als eine Viertelstunde später frische Pferde einge-
    troffen waren, wurde die Reise fortgesetzt.
    Vor der Stadt mußte der Wagen eine ziemlich steile
    Rampe, die sehr kühn von der Seite eines Berges ausge-
    schnitten war, emporklimmen. Einen Augenblick hoben
    sich die hohen Türme der Silberminen von Kongsberg als
    Schattenbilder vom Horizont ab. Darauf verschwand der
    ganze Horizont unter einem Vorhang ungeheurer Tannen-
    wälder, in denen es so dunkel und kühl wie in einem Keller
    ist, da hier die Wärme der Sonne ebensowenig Eingang fin-
    det wie deren Licht.
    Die hölzerne Stadt Hangsund lieferte den Reisewagen
    neue Spannpferde. Hier fand man oft lange Straßen, doch
    häufig durch auf einem Bolzen drehbare Barrieren ge-
    schlossen, die gegen Zahlung von 5 bis 6 Skillings geöffnet
    wurden. Es ist eine sehr fruchtbare Gegend mit zahlreichen
    Bäumen, die wegen ihrer, durch die Last der Früchte nie-
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    dergebeugten Zweige fast Trauerweiden ähnlich erschei-
    nen. Mit der Annäherung an Drammen wurde das Tal wie-
    der bergiger.
    Zu Mittag zeigte die an einem Arm des Christiania-
    Fjords gelegene Stadt ihre beiden endlosen Straßen mit be-
    malten Häusern an beiden Seiten und ihren stets sehr be-
    lebten Hafen, in dem die großen Holzflöße den Schiffen, die
    hier Naturerzeugnisse des Nordens laden, meist nur wenig
    Raum freilassen.
    Der Wagen hielt vor dem Hotel de Scandinavie. Der Be-
    sitzer, eine gewichtige Persönlichkeit mit weißem Bart und
    höchst gelehrten Mienen, erschien auf der Schwelle seines
    Anwesens.
    Mit jener Findigkeit, welche die Gasthalter in allen Län-
    dern der Welt kennzeichnet, sagte er sogleich: »Es würde
    mich nicht wundern, wenn die beiden Herren und die junge
    Dame bald frühstücken möchten.«
    »Ganz recht, wundern Sie sich darüber nicht«, erwiderte
    Sylvius Hog, »und lassen Sie uns so schnell wie möglich auf-
    tragen.«
    »Augenblicklich!«
    Das Frühstück stand sehr bald bereit und ließ wirklich
    nichts zu wünschen übrig. Es bot unter anderem einen ge-
    wissen, mit würzigen Kräutern zubereiteten Fisch aus dem
    Fjord, von dem der Professor mit sichtlichem Vergnügen
    zulangte.
    Um halb 2 kam der mit frischen Pferden versehene Wa-
    gen wieder bei dem Hotel de Scandinavie vorgefahren und
    — 230 —
    setzte in mäßigem Trab die Reise auf der Landstraße von
    Drammen fort.
    Als sie da an einem Haus von minder einladendem Aus-
    sehen, das mit den heiteren Farben der Nachbarhäuser
    auffallend kontrastierte, vorüberkamen, konnte Joel einen
    Ausdruck des Widerwillens nicht zurückhalten.
    »Sandgoist!« rief er.
    »Ah, das ist also jener Herr Sandgoist?« sagte Sylvius
    Hog. »In der Tat, er zeigt gerade kein hübsches Gesicht.«
    Es war wirklich Sandgoist, der rauchend vor seiner Tür
    stand. Ob er auch Joel auf dem Vordersitz erkannte, muß
    dahingestellt bleiben, denn der Wagen bewegte sich zu
    rasch zwischen großen Stößen dicker Balken und Haufen
    von geschnittenen Planken hin.
    Jenseits einer von Vogelbeerbäumen – die reich mit ko-
    rallenen Früchten beladen waren – eingefaßten Straße,
    wandte sich das Gespann nach einem dichten Fichtenwald,
    der das Tal des Paradieses erfüllt; eine wahrhaft prächtige
    Bodensenke mit ihren weithin sichtbaren, bis zu den letzten
    Grenzen des Horizonts reichenden Bergabsätzen. Hier zeig-
    ten sich wohl Hunderte kleiner Hügel, von denen die meis-
    ten mit einem Landhaus oder einem Gaard bekrönt waren.
    Bei herannahendem Abend, als der Wagen, zwischen grü-
    nen Wiesen hinabsteigend, mehr in die Nähe des Meeres
    kam, erblickte man Farmen mit lebhaft roten Häusern, die
    sich aus dem grünen Baumdickicht grell abhoben.
    Endlich erreichten die Reisenden den eigentlichen
    Christiania-Fjord, der zwischen malerischen Höhen hin-
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    eingezwängt erscheint, und überblickten nun seine zahl-
    losen Buchten, seine vielen ganz kleinen Häfen mit ihren
    hölzernen »Piers«, an denen die Fahrzeuge der Bai und

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