Ein Lotterielos. Nr. 9672
die
Dampfomnibusse anlegen. Um 9 Uhr abends – es war noch
voller Tag – rollte die altertümliche Kutsche nicht ohne lau-
tes Geräusch in die Stadt ein und durch deren schon verlas-
sene Straßen hin.
Auf Anordnung Sylvius Hogs hielt sie hier vor dem Ho-
tel Victoria, in dem Hulda und Joel abstiegen, da für sie
schon auf Vorausbestellung Zimmer reserviert worden wa-
ren. Nach herzlichem Abschied begab sich der Professor
dann nach seinem alten Haus, wo ihn seine alte Dienerin
Kate und sein alter Diener Fink mit nicht weniger alter Un-
geduld erwarteten.
XVII.
Christiania – in Norwegen eine große Stadt – würde in den
bedeutenderen Kulturländern Europas höchstens als mittel-
große Stadt gelten. Ohne wiederholte Zerstörungen durch
Feuer würde sie sich heute wohl noch genauso zeigen, wie
sie im 11. Jahrhundert erbaut wurde. Tatsächlich stammt sie
erst aus dem Jahr 1624, zu welcher Zeit der König Christian
sie wieder aufbaute. Aus Opsolo, wie ihr Name ursprüng-
lich lautete, verwandelte sie sich damals erst in Christiania,
zu Ehren ihres königlichen Neubegründers. Es ist eine re-
gelmäßige Stadt mit breiten, nüchternen und geraden, wie
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nach dem Lineal angelegten Straßen mit weißen Stein- oder
roten Ziegelhäusern. Inmitten eines recht schönen Gartens
erhebt sich das königliche Palais, das Oskarslot, ein gewal-
tiges viereckiges, aber, obwohl es in ionischem Stil gehalten
ist, eigentlich stilloses Bauwerk. Da und dort zeigen sich ei-
nige Kirchen, in denen Schönheiten der Kunst gewiß kei-
nen Andächtigen zu zerstreuen vermöchten. Endlich gibt es
hier verschiedene Gerichtsgebäude und öffentliche Anstal-
ten, ohne den in Form einer Rotunde errichteten, großen
Basar zu zählen, der einen Sammelplatz ausländischer und
einheimischer Erzeugnisse bildet.
Unter allem, was wir eben anführten, befindet sich etwas
besonders Bemerkenswertes jedoch nicht; dagegen verdient
rückhaltlose Bewunderung die schöne Lage der Stadt in-
mitten eines Kreises vielgestaltiger Berge, die deren präch-
tigen Rahmen abgeben. Fast eben in ihren reichen neue-
ren Teilen, erhebt sie sich nur, um eine mit unregelmäßigen
Häuschen bedeckte Art Kasbah zu bilden, in denen die ärm-
lichere Bevölkerung lebt. Die Holz- oder Ziegelhütten hier
fallen dem Blick freilich mehr auf, als sie ihn zu ergötzen
vermögen.
Man darf nicht etwa glauben, daß das Wort Kasbah, das
eigentlich nur von afrikanischen Städten gebraucht wird,
für eine Stadt im Norden Europas nicht am Platz wäre.
Christiania hat wirklich in der Nachbarschaft des Hafens
Stadtteile, wie man sie ganz ähnlich in Tunis, Marokko oder
Algier findet, und wenn hier keine Tunesier wohnen, so ist
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deren flottierende Bevölkerung doch kaum höher zu schät-
zen.Mit einem Wort, gleich jeder Stadt, deren Fuß sich im
Meer badet und die das Haupt bis zur Höhe grüner Hügel
erhebt, ist gerade Christiania ganz besonders malerisch ge-
legen, und nicht mit Unrecht vergleicht man dessen Fjord
mit dem Golf von Neapel. Wie der letztere geschmückt ist
durch die Dörfer Sorrent und Castellamare, so sind dessen
Ufer mit Villen und Einzelhäuschen bedeckt, die sich halb
in dem schwarzen Tannengrün verlieren und in dem leich-
ten Nebeldunst, der ihnen eine so eigentümliche »Weich-
heit« verleiht, der man in nördlichen Gegenden so oft be-
gegnet.
Sylvius Hog war also endlich in Christiania zurück; frei-
lich hatte sich diese Rückkehr unter keineswegs vorausgese-
henen Umständen – inmitten einer unterbrochenen Erho-
lungsreise – vollzogen. Nun, letztere wollte er im folgenden
Jahr sicher nachholen, jetzt nahmen nur Hulda und Joel
sein ganzes Interesse in Anspruch. In seinem Haus hatte er
sie nicht absteigen lassen, weil das nur angegangen wäre,
wenn er zwei Zimmer noch übrig gehabt hätte. Der alte
Fink und die alte Kate hätten jene gewiß ganz gut aufge-
nommen, doch hatte es an Zeit gefehlt, nur die nötigsten
Vorbereitungen zu treffen.
Deshalb führte sie der Professor nach dem Hotel Victo-
ria, wo er die beiden jungen Leute besonders empfahl. Eine
Empfehlung von Sylvius Hog, dem Storthing-Abgeordne-
ten, durfte aber sicherlich auf Beachtung rechnen.
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Während der Professor hier für seine Schützlinge die-
selbe Aufmerksamkeit beanspruchte, die man ihm selbst
jedenfalls erwiesen hätte, gab er doch deren Namen nicht
an, da es ihm um
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