Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
Jetzt, wo du so viel Geld hast, schon gar nicht. Ich kann auch jemanden einstellen, der das Geschäft weiterführt.«
»Nein … ich …«
»Über Schulgeld oder so was brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, sagte Mum. »Ich habe mir schon ein paar Prospekte von Privatschulen kommen lassen. Du könntest nächstes Jahr wechseln. Manche von diesen Schulen haben sogar einen musikalischen Schwerpunkt, Natasha. Das wäre eine gute Grundlage für deine Gesangskarriere.«
»Jetzt hört mir mal zu!«, sagte ich. »Ich will nichtstudieren. Ich will von der Schule abgehen. Ich will mir eine eigene Wohnung kaufen und hier ausziehen.«
»Wie bitte?« Mum machte ein Gesicht, als hätte ich ihr eine geknallt. »Und wann gedachtest du, hier auszuziehen, bitte schön?«
»Bald.«
»Und dann? Jeden Abend Party machen? Das Geld zum Fenster rauswerfen für … für Drogen und Männerbekanntschaften? Man liest immer wieder von jungen Frauen, die im Lotto gewinnen und völlig durchdrehen. Du bist sechzehn! Du hast doch keine Ahnung vom Leben! Seit du uns von deinem Gewinn erzählt hast, bin ich ganz krank vor Sorge um dich!«
Ich schmiss ihr die Abrechnung vor die Füße.
»Von wegen! Du gibst mein Geld aus! Du lässt dir die Nägel verlängern und Extensions in die Haare schweißen und kaufst Schuhe, während ich in der Schule hocke, lauter Zeugs lernen muss, das ich nie wieder brauche, und mich zu Tode langweile. Und wenn ich endlich aus der Schule raus bin, habt ihr mein ganzes Geld für deine blöden sechs Badezimmer und eine neue Backstube ausgegeben!«
Stille. Dann sagte Natasha zaghaft: »Wenn ihr wollt, übernehme ich die Bäckerei.«
»Und vergeudest dein Talent? Sei nicht dumm, Natasha.« Mums Stimme bebte.
»Wenn du nicht willst, brauchst du uns nichts von deinem Geld abzugeben, Lia. Aber ist dir eigentlich klar, warum wir hier wohnen und nicht woanders? Damit wir im Einzugsbereich eurer Schule sind, darum. Wir haben schon oft darüber gesprochen, ob wir nichtumziehen sollen, in einen anderen Bezirk, in ein größeres Haus, aber wir wollten es euch Mädchen nicht unnötig schwer machen. Außerdem ist es sinnvoll, dass Dad in der Nähe der Bäckerei wohnt, weil er ja immer so früh rausmuss. Wir haben auch schon überlegt, die Bäckerei zu verkaufen. Wir könnten es auch leichter haben – aber wir haben an euch gedacht.«
»Kann ja sein, aber das war eure Entscheidung. Dann steht auch dazu. Jetzt bin ich mal mit Entscheiden dran! Für euch stand immer fest, dass ich die Bäckerei eines Tages übernehme. Ich will aber machen, was ich will!«
Mum kniff die Lippen zusammen, Dad sah einfach nur traurig aus. Ich wollte schon alles zurücknehmen, mich entschuldigen, ihren Plänen zustimmen, aber Mum kam mir zuvor.
»Das war ja klar! Du denkst wieder mal nur an dich, Lia. Du bist durch und durch egoistisch.«
»Gar nicht wahr!« Hoffentlich merkte keiner, dass ich fast heulte.
»Dein Vater schuftet sich für uns halb tot. Ich renne in die blöde Agentur und schreibe dummes Zeug, damit irgendwelche Versager in den Medien erscheinen. Und wofür das alles? Für dich und deine Schwester! Und was ist der Dank? Du spuckst uns ins Gesicht!«
Ich kochte vor Wut.
»Dir kann ich es doch sowieso nie recht machen! Du wirfst mich mitten in der Nacht raus und es ist dir scheißegal, ob mir etwas zustößt! Und jetzt bist du bloß nett zu mir, weil du hinter meinem Geld her bist.«
Natasha brach in Tränen aus und Dad nahm sie inden Arm. »Die beiden meinen das nicht so, Nat«, tröstete er sie.
»Oh doch!«, schrie ich. »Sie ist eine gemeine Ziege und ich hasse sie! Ich kann’s kaum erwarten, dass ich endlich ausziehen und mein Geld ausgeben kann, wofür ich will!«
Mums Stimme war plötzlich gefährlich ruhig und ein bisschen heiser, so wie die Stimme von Cruella de Vil. Es hätte mich nicht gewundert, im Tiefkühlfach einen Wurf gehäuteter Dalmatinerwelpen zu finden. »Da musst du dich leider noch ein Weilchen gedulden, Schätzchen. Noch bist du nicht volljährig. Bis du achtzehn bist, treffen wir für dich die Entscheidungen. Und es kommt nicht infrage, dass du jetzt ausziehst. Das erlaube ich nämlich nicht.«
»Tatsächlich?« Ich stürmte zur Tür. »Und wie willst du mich daran hindern?«
14
Manchmal nimmt dich einfach niemand ernst.
Ich flüchtete zu Shazia, wohin sonst? Alle Alternativen – sofort zum Makler gehen und ein Penthouse kaufen oder mit Raf nach Paris durchbrennen – hätten einer gewissen
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