Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
rasch. Ich mochte Shaz nicht erzählen, dass Rafs Halbbruder ein Schläger war und dass ich mich vor ihm fürchtete. »Und wie er wohnt, weiß ich schon.«
»Echt?«
Mir fiel ein, dass ich Raf versprochen hatte, niemandem davon zu erzählen. »Aber darüber kann ich nicht reden.«
Shaz seufzte. »Ich geb’s auf. Ich dachte immer, du bist intelligent. Das war offenbar ein Irrtum.«
»Du verstehst das nicht, Shaz. Du hast nur die Schule im Kopf, das ist doch nicht mehr normal. Wenn du dich irgendwann verliebst, wirst du schon sehen, wie das ist.«
Ihre Stimme schwankte ein bisschen, als sie erwiderte: »Wenn ich mich irgendwann verliebe, suche ich mir hoffentlich jemanden, den ich kenne und der ähnliche Ansichten hat wie ich.«
»Du wartest doch sowieso, bis deine Eltern jemanden für dich aussuchen«, sagte ich gemeinerweise.
»Was willst du damit sagen?«
»Nichts. Wenn du das so haben willst, ist alles okay. Aber ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich. Allmählich bestimmt die Religion dein ganzes Leben. Das Kopftuch und so. Das ist doch nicht …«
Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Jetzt reicht’s!«
Mein iPhone klingelte schon wieder. Mum. Ich drückte sie weg.
»Ich … ich dachte, du hast Verständnis dafür, Lia. Ich dachte, du respektierst mich, wie ich bin.«
»Schon, aber …«
»Du kapierst es nicht, oder? Weißt du, warum ich Mathe so gern mag? Weil es in Mathe um Regeln geht. Um Regeln, die die Welt erklären. Mit dem Islam ist es das Gleiche. Der Islam sagt mir, wie ich leben soll. Ich schaffe es zwar nicht immer, mich daran zu halten, aber ich gebe mir Mühe.«
»Das hast du mir noch nie so erklärt.«
»Du hast mich ja auch noch nie danach gefragt.«
Das stimmte. Wenn wir uns in der Schule sahen, redeten wir nicht über Religion oder darüber, wie man leben sollte. Wir redeten über Stars und Hausaufgaben, über Jungs und Shoppen.
»Du hättest ja mal was sagen können.«
»Und du hättest mich fragen können! Glaubst du, ich habe nicht gemerkt, wie geschockt du warst, als ich das erste Mal mit Kopftuch gekommen bin? Niemand hat mich gefragt, warum ich das mache.«
»Oh … Na ja, es war irgendwie seltsam.«
»Manchmal frage ich mich, ob wir beide überhaupt etwas gemeinsam haben.«
»Na toll!«
»Da ist noch etwas, aber …«
»Nur zu!«, sagte ich. Ich wollte mir nicht anmerken lassen, wie gekränkt ich war.
»Also … ich weiß nicht, ob das so gut ist, wenn du so viele Interviews gibst. Die Leute regen sich darüber auf.«
»Welche Leute denn?«
»Die Mädchen in der Schule. Sie lästern über dich.«
»Und was lästern sie?«
»Hast du in letzter Zeit mal bei Facebook reingeschaut?«
»Nicht so richtig.«
In meinem Posteingang warteten an die hundert Benachrichtigungen und vierhundertsechzig Kommentare. Ich brauchte meine Seite nur zu öffnen und schon wurde mir alles zu viel.
Shaz zog mich vor ihren Bildschirm. Sie rief eine Seite auf: »Lotto-Lia ist eine hässliche geizige Schlampe.« Darunter war ein Foto aus der Hello! , auf dem ich ein Glas Limo in der Hand hielt und künstlich lächelte. Die Seite hatte so viele Kommentare, dass mir schwindlig wurde, und 2738 Fans.
Ich kniff die Augen zu, schlug die Hände vor den Mund und wimmerte leise. »Die meisten kennen dich wahrscheinlich gar nicht persönlich«, sagte Shaz. »Aber es sind auch ein paar aus unserer Schule dabei. Ich glaube, Lindsay Abbott hat die Seite reingestellt.Du hast sie doch damals bei unserem Shoppingausflug nicht im Taxi mitfahren lassen. Ich glaube, sie ist sauer auf dich, weil sie kein T-Shirt gekriegt hat, wie du versprochen hattest. Und Georgia und Alicia konnten dich noch nie leiden. Mach die Augen wieder auf! Du musst das lesen.«
Es war grauenvoll. Wildfremde Leute beschimpften mich als arrogante Schlampe. Lindsay und ihre Freundinnen lästerten über die Sache mit dem Taxi und über meine Klamotten, meine Haare und meine Figur. (»Sie hat sich die Nase operieren lassen – was das wohl gekostet hat?«) Was hatten sie alle gegen mich? Vor allem die, die mich gar nicht kannten?
»Ich beschwere mich bei Facebook! Die müssen die Seite löschen.«
»Ich weiß nicht, ob das einfach so geht. Du bist jetzt eine Person des öffentlichen Lebens.«
»Was soll ich denn sonst machen?«
»Mit den Leuten in der Schule vernünftig reden, statt dauernd Interviews zu geben.«
»Toller Rat. Man könnte denken, du hast dich mit ihnen verbündet.«
»Quatsch. Aber ich finde auch,
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