Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
wir deine Schwester überhaupt bei uns aufgenommen haben.«
»Miststück!«
»Raus!«, sagte Mollys Bruder, der plötzlich im Zimmer stand. »So redest du nicht mit meiner Schwester. Hau ab!«
»Mir reicht’s auch. Tschüss.«
Draußen vor dem Haus überlegte ich, was ich jetzt machen sollte. Ins Internetcafé gehen und mit Raf reden? Oder war die Polizei noch dort? Und was war mit Rafs Vater?
Mit Jack musste ich auch dringend sprechen. Aber wenn nun Donna die Tür aufmachte? Jemand anders musste für mich ein Treffen mit ihm einfädeln. Wir mussten uns endlich aussprechen.
Normalerweise hätte ich Shaz gebeten, das zu übernehmen. Aber Shaz konnte mir jetzt nicht beistehen. Im Gegenteil, sie brauchte meine Unterstützung. Ich hielt Molly Vorträge über Freundschaft und dabei war meine eigene beste Freundin todunglücklich.
Mir fiel ein, dass die Moschee, der Shaz’ Eltern angehörten, in der gleichen Straße war, in der auch Molly wohnte. Es war eine kleine, noch ganz neue Moschee aus rotem Backstein mit einer vergoldeten Kuppel. Freitags, wenn sich die Männer zum Gebet versammelten, herrschte dort Hochbetrieb. Heute am Sonntag war kein Mensch zu sehen.
Ob der Imam da war? Vielleicht sollte ich mal mitihm sprechen … War Lotto spielen wirklich so streng verboten? Vielleicht konnte er mir ja auch einen Rat in Bezug auf Shaz geben …
Hier in der Moschee spielte mein Geld keine Rolle. Das war vielleicht gar nicht so schlecht.
29
Es gibt Wichtigeres im Leben als Geld –
vor allem, wenn man mehr als genug davon hat.
Eine junge Frau öffnete die Tür. Sie trug ein langes weißes Kopftuch, aus dem nicht die kleinste Haarsträhne hervorblitzte. Aber ihr Gesicht war nicht verhüllt und sie sah eigentlich ganz nett aus – nur ein bisschen erstaunt. Im Vorraum der Moschee roch es nach frischer Farbe, Möbelpolitur, Schuhen, Kaffee und Gewürzen.
»Ja bitte?«, fragte sie.
»Ich möchte den Imam sprechen«, sagte ich und wurde rot wie eine Tomate. Herzklopfen hatte ich auch. War ich verrückt geworden? Aber ich tat es für Shaz.
»Der Imam ist leider nicht da.«
»Ach so. Schade. Dann entschuldigen Sie bitte die Störung.«
»Kann ich dir vielleicht weiterhelfen?«
»Glaub nicht …« Mir war ganz elend zumute.
Die junge Frau schmunzelte. »Versuchen können wir’s doch mal. Du siehst aus, als wäre es dringend.«
»Na ja … eigentlich geht es nicht um mich, sondern um meine Freundin.«
»Verstehe«, sagte sie so selbstverständlich, als würden jeden Tag irgendwelche Leute in der Moschee auftauchen und über ihre Freundinnen reden wollen.»Dann komm doch einfach rein. Magst du einen Tee? Ich habe eine halbe Stunde Zeit, danach muss ich meine Mädchengruppe unterrichten. Vielleicht fällt mir ja etwas ein, was deine Freundin betrifft.«
Wir gingen in die blitzsaubere Küche und setzten uns an den Tisch. Die junge Frau machte mir einen Tee und stellte einen Teller Kekse vor mich hin.
»Ich bin die Nichte des Imam«, sagte sie. »Ich berate auch Frauen, die zum Islam übertreten wollen. Vielleicht bin ich ja die richtige Ansprechpartnerin für deine Freundin.«
»Vielleicht.« Ich nahm mir einen Keks und überlegte, wie ich mit ihr über Shaz sprechen konnte, ohne ihren Namen zu nennen. Ich musste superdiskret sein. Womöglich kannte sie Shaz sogar persönlich.
»Möchte deine Freundin mehr über den Islam wissen?«
»Nein, das ist nicht das Problem. Sie weiß eher zu viel über den Islam.«
»Ach so?« Die junge Frau machte ein verblüfftes Gesicht. Hoffentlich hatte ich sie nicht beleidigt.
»Ich glaube, meine Freundin fühlt sich … unterdrückt. Von den vielen Vorschriften und so.«
»Aha. Aber du … du siehst gar nicht aus … du bist keine Schwester, oder?«
»Doch, ich bin eine Schwester. Um meine Schwester mache ich mir auch Sorgen. Sie war auf einer Party und hat dort so viel getrunken, dass sie sich an nichts mehr erinnern kann.«
Die junge Frau tätschelte meine Hand. »Dann bist du hier auf jeden Fall richtig. Immer wieder kommenjunge Menschen zu uns, die nach einer neuen Richtung für ihr Leben suchen. Der Islam gibt ihnen Halt und neue Werte. Das ist etwas Wunderschönes.«
Hä?
»Nein, nein … ich rede nicht von mir selber, sondern von meiner Schwester ! Aber eigentlich bin ich ja wegen meiner Freundin hier. Ihr Vater ist strenggläubig. Sie muss ein Kopftuch tragen und darf sich nicht mit dem Jungen treffen, in den sie verliebt ist. Inzwischen glaubt sie sogar selber
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