Ein Macho auf Abwegen
Sie hadert nicht mehr ganz so sehr mit ihrem Schicksal und
beginnt ihr Leben wieder zu genießen. Das ist doch schon einmal ’was, verdad?
Ich würde es einmal so sagen. Es hängt ganz von Ihnen und Ihrer Geduld ab,
Marc!“
„Sie halten mich jetzt bestimmt für ein sexhungriges
Monster. Mein Interesse an Christina besteht nicht nur aus Sexualität“,
rechtfertigte Marc sein Anliegen. „Ich habe schon so viele Frauen kennen
gelernt, aber Christina ist die Erste in meinem Leben, mit der ich mir eine
gemeinsame Zukunft vorstellen kann, mit der ich gemeinsam alt werden möchte
...“
Pilar unterbrach ihn und vervollständigte seinen Satz. „Und
dazu gehört normalerweise auch Sex. – Marc, wofür halten Sie mich? Für eine
Nonne? Nur weil Sie sich darüber Gedanken machen, sind Sie noch lange kein
Monster! Ángel war ein Monster, und Kaiser ist es höchstwahrscheinlich immer
noch. Und wir zwei werden ihm gewaltig ins Handwerk pfuschen! Durch einen
Freispruch kann Christina weitergeholfen werden, da bin ich mir ganz sicher!“
Als Marc ins Hotel zurückkehrte, war es schon recht spät,
und er entschied sich nachzuschauen, ob noch viel Betrieb an der Hotelbar
herrschte. Wie erwartet war kaum noch jemand anwesend, und er bestellte sich
einen Whisky. Er telefonierte gerade mit Christina, als ein junger,
dunkelhaariger und auffallend gutaussehender Mann direkt auf ihn zukam und ihn
offensichtlich ansprechen wollte. Er beendete schnell sein Telefonat, denn es
gab keinen Zweifel daran, wer da vor ihm stand.
Der Junge war Christina wie aus dem Gesicht geschnitten.
Seine Haarfarbe, die Gesichtsform, die rehbraunen Augen und der weiche Mund
bildeten eine exakte Kopie seiner Mutter.
„Señor Stevens? Wir freuen uns, Sie in unserem Hause
begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Manuel Moreno. Ich bin hier der Direktor“,
stellte er sich vor. Anscheinend hatte es sich im ganzen Hotel herumgesprochen,
um wen es sich bei dem neuangekommenen Gast, den man heute Nachmittag am Pool
so belagert hatte, handelte. „Vielen Dank, Señor Moreno.– Für einen
Hotelmanager sind Sie aber noch mächtig jung!“
„Ja, das ist bei uns so Familientradition. Dieses Haus ist
jetzt schon in der dritten Generation in Familienbesitz“, klärte Manuel ihn
stolz auf. „Sie sprechen ein sehr gutes Deutsch, sogar fast akzentfrei! Sie
haben doch bestimmt einmal in Deutschland gelebt?“, lockte Marc den jungen Mann
noch ein wenig. „Oh, nein! Meine Mutter war Deutsche.“
„Aha“, sagte Marc. So war das also! Seine Mutter war
Deutsche! Ihr Sohn sprach von ihr in der Vergangenheitsform, als würde
Christina für ihn gar nicht mehr existieren. Das muss barbarisch für sie sein,
dachte Marc und schaute Manuel stumm an. „Wie lange werden Sie bei uns bleiben,
Señor?“ Manuel machte fleißig Konversation, so wie es sich für einen
Hotelmanager gehörte. „Nur ein paar Tage. Ich habe geschäftlich hier zu tun“,
antwortete Marc tonlos. „Dann wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen
Aufenthalt bei uns! Wenn Sie Fragen oder Wünsche haben, wenden Sie sich bitte
jederzeit an mich!“
„Auf Ihr Angebot werde ich mit Sicherheit zurückkommen,
Señor Moreno“, sagte Marc und dachte: Worauf du einen lassen kannst, mein
Kleiner!
Manuel runzelte etwas unsicher die Stirn. Warum sah ihn
dieser Stevens auf einmal so merkwürdig an? Er räusperte sich einmal kurz und
legte sein schönstes Hoteldirektorlächeln auf. „Würde es Ihnen etwas ausmachen,
sich in unser Gästebuch einzutragen, Señor Stevens?“ Marc grinste Manuel
wohlwollend an und antwortete: „Mit dem größten Vergnügen!“ Manuel wies noch
den Barkeeper an, das Gästebuch aus der Rezeption zu holen, verabschiedete sich
von Marc und verschwand.
Marc orderte noch einen doppelten Whiskey und nahm ihn als
Betthupferl mit nach oben. Er setzte sich auf den Balkon, lauschte dem nahe
rauschenden Meer und betrachtete den sternenklaren Nachthimmel der Costa del
Sol.
Er war durch das Zusammentreffen mit Manuel total
aufgewühlt. „Meine Mutter war Deutsche.“ Dieser Satz ging ihm nicht mehr aus
dem Kopf. Wie konnte man diesen Jungen von der Unschuld seiner Mutter und vor
allen Dingen von den Taten seines Vaters überzeugen? Christinas Kinder waren
mit der Vorstellung aufgewachsen, eine brutale und habgierige Mörderin zur
Mutter zu haben. Sie sahen ihren Vater ausschließlich in der Opferrolle. – Was
der morgige Tag wohl bringen würde? Konnte man diese Ex-Nutte für eine
glaubhafte
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