Ein Macho auf Abwegen
ihn war. Die Frau seines Lebens.
„Ach, Marc! Barcelona? Das ist doch toll! Ich würde gerne
ein paar Tage mit dir dort verbringen. Ich werde dich begleiten!“
Auch das noch! Dass Christina auf so eine Idee kommen würde,
hatte er überhaupt nicht bedacht. Er sah sie streng wie ein Oberlehrer an.
„Nein, Christina! Du bleibst hier und ruhst dich aus! Solange du nicht wieder
komplett hergestellt bist, wirst du schön zu Hause bleiben! Ich werde mich
beeilen und so schnell wie möglich zurückkommen.“ Sein entschiedener Blick,
zusammen mit diesem energischen Tonfall, war unmissverständlich und ließ keine
weitere Diskussion zu. Das war bei Christina eindeutig angekommen.
„Versprochen?“, vergewisserte sie sich widerstandslos. „Das verspreche ich
dir“, antwortete er und gab ihr einen Kuss.
Marc nahm die Küstenstraße vom Flughafen bis Marbella. Er
war schon lange nicht mehr im Süden gewesen und genoss es, das Meer immer in
Sichtweite zu haben.
In der Stadt der Schönen und Reichen angekommen, führte ihn
sein Weg direkt zum Moreno del Mar. Er wollte sich in Christinas altem zu Hause
ein Zimmer nehmen. Er wusste selber nicht genau, warum es unbedingt so sein
sollte. Wahrscheinlich war er einfach nur neugierig zu sehen, wo sie gelebt und
wo sich ihr Schicksal so schrecklich gewendet hatte.
Er befuhr den Parkplatz, und sein Blick folgte gleich dem
Gebäude hinauf auf das Penthouse. Ob ich es irgendwie schaffen kann dort hinein
zu kommen?, fragte er sich skeptisch.
Es gab tatsächlich noch ein freies Zimmer für ihn. Nachdem
er seinen Koffer ausgepackt hatte, schaute er sich das Hotel etwas näher an. Es
war wirklich ein gutgeführtes Haus mit allen erforderlichen Annehmlichkeiten.
Neben dem großzügigen Swimmingpool gab es eine kleine Bar, und er bestellte
sich einen starken Espresso.
Scheinbar kamen die meisten Hotelgäste aus Deutschland, denn
es dauerte nicht lange bis er, trotz seiner dunklen Sonnenbrille, erkannt
wurde. Eine Frau kam ohne Umschweife auf ihn zu, vergewisserte sich noch nicht
einmal, ob er tatsächlich der deutsche Superpromi war und fragte lautstark nach
einem Autogramm. Marc ließ sich vom Kellner einen Notizblock geben und erfüllte
ihr ihren Herzenswunsch. Im nächsten Moment kam ein Mann mit einem Fotoapparat
bewaffnet dazu. Es handelte sich um ihren Ehemann, der nun den Kellner bat, ein
Foto von ihnen mit Marc zu knipsen. Das erregte wiederum die Aufmerksamkeit
weiterer Gäste, die mit ihm an der Bar saßen. Für Marc begann der übliche
Spießrutenlauf. Geduldig erfüllte er jeden Wunsch nach Fotos und Autogrammen
und flüchtete anschließend in sein sicheres Hotelzimmer.
An und für sich mied er die Orte im Ausland, an denen sich
deutsche Touristen tummelten. Bei diesem Trip hatte er an seine Fans allerdings
nicht gedacht.
Durch ihre Nachforschungen im Internet wusste Pilar, wie
Marc Stevens aussah. Sie hatte sich sogar einige Fotos von ihm auf ihren PC
geladen. Als er dann jedoch leibhaftig vor ihr stand und mit ihr sprach, konnte
sie vollkommen verstehen, warum Christina sich Hals über Kopf in diesen Mann
verliebt hatte. Mit seiner hünenhaften Statue, diesen leuchtend blauen Augen
und dem blonden Haar, stand er bei Spanierinnen für pure Exotik. Stevens war
ein Bilderbuch-Gringo. Christina war jedoch keine Einheimische, und für ihre deutsche
Mandantin hatte bisher eigentlich immer genau das Gegenteil gegolten. Der
Geschmack ihrer Freundin hatte voll und ganz dem Gesetz der Anziehungskraft des
Fremden entsprochen, denn im Grunde flog Christina ausschließlich auf
dunkelhaarige Antonio-Banderas-Typen mit feurigen, tiefbraunen Augen. Und
dieser Stevens war das genau Entgegengesetzte. Typisch germanisch eben.
Marc lud sie für den Abend zum Essen ein und ließ sich von
ihr noch einmal Christinas Leidensgeschichte erzählen. Irgendwann fragte er
sie: „Sie kennen Christina viel besser als ich, Pilar. Glauben Sie, dass sie es
eines Tages schaffen wird wieder eine normale Beziehung zu einem Mann zu
haben?“ Pilar blickte wissend über den Tisch. „Sie meinen doch damit, ob
Christina jemals wieder Sex haben kann?“ Marc nickte verlegen.
„Señor Stevens. Sie stellen mir da eine sehr schwierige
Frage. Christina ist schwer traumatisiert. Ich kann Ihnen nur eines dazu sagen.
Sie kommt mir in letzter Zeit, obwohl sie diesen schrecklichen Überfall erleben
musste, unglaublich entspannt vor. Sie kann wieder von ganzem Herzen lachen und
hat neuen Lebensmut.
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