Ein Macho auf Abwegen
geht!“
Was für andere Menschen eine alltägliche
Selbstverständlichkeit war, empfand sie als etwas komplett Neues und besonders
kostbares Geschenk. Sie konnte wieder ganz unbefangen mit ihrer Sexualität
umgehen. Sie erlebte sich seit langer Zeit als vollständige Frau, mit allen
Sinnesempfindungen, die dazugehörten. Ihr war es, als ob man ihr früher ein
Körperteil amputiert und jetzt erst wieder angenäht hätte. Sie war stolz auf
sich und vor allen Dingen auf Marc, den sie als ihren persönlichen rettenden
Engel verstand. Er hatte den dunklen Ort in ihr mit hellem Licht gefüllt und
mit neuem Leben bewohnt, diesen finsteren Raum, in welchem sich ihr unterirdischer
Dämon so unerbittlich und barbarisch festgesetzt hatte. Der Engel Marc hatte
den Teufel in Person, Ángel, mit seinem unermesslichen Einfühlungsvermögen,
seinen ehrlichen Gefühlen und seiner liebevollen Zärtlichkeit endgültig in die
Hölle verbannt und für sie beide einen Platz über den Wolken reserviert.
Es ist einfach nicht zu glauben!, dachte sie. Ausgerechnet
das gewissermaßen oberflächlichste Mannsbild in diesem Land, der idiotische
Hallodri, den sie seit ihrer Jugendzeit stets nur geringgeschätzt hatte, war
nun der Mensch an ihrer Seite geworden. Ihr verlässlicher Freund, der sie
vorbehaltlos liebte, so wie sie war.
Marc ging es nicht anders. Das Leben mit Christina hatte
eine ganz andere Qualität bekommen. Es war einfach unglaublich, welche neuen
Seiten er an ihr entdeckte. Christina war einfach jede Frau. Sie passte sich
der gegebenen Situation an und schlüpfte in die entsprechende Rolle. Sie war
die bodenständige Hausfrau, die intelligente Assistentin, die knallharte
Geschäftsfrau, die perfekte Zuhörerin und Beraterin für alle Lebenslagen, das
anlehnungsbedürftige Püppchen, die zu ihm aufschauende Lebensgefährtin und die
ihre Rechte einfordernde Freundin, aber auch die zügellose Femme fatale,
unersättlich, hemmungslos und neugierig auf alles, was sie noch nicht kannte.
Kurz und gut! Christina war in seinen Augen die perfekte
Frau.
Während der Woche blieben sie in Christinas Wohnung. Sie
fragte sich oft, ob ihre kleine Zweizimmerwohnung ihm wirklich genügte, doch er
schien bei ihr zufrieden zu sein. Es ging ihnen nicht anders als jedem frisch
verliebten Paar. Sie brauchten nichts und niemanden, außer sich selbst.
Freitagsabends holte Marc Christina gewöhnlich von zu Hause
ab, und sie verbrachten die Wochenenden in der Villa-Stevens, wo sie sich der
dortigen Annehmlichkeiten wie Schwimmbad, Sauna und dem schönen großen Garten
erfreuten. Hier im Dorf konnten sie sogar abends unbehelligt gemeinsame
Spaziergänge machen. Meistens endeten ihre gemeinsamen Ausflüge in dem einzigen
Gasthof am Marktplatz, gegenüber dem kleinen Rathaus, wo sie noch gemeinsam zu
Abend aßen.
Für Marc stand natürlich fest, dass Christina eines Tages
ganz zu ihm ziehen musste, doch er hatte es damit nicht eilig. Er wollte
zunächst den Prozess in Spanien abwarten, um Christina als seine offizielle
Lebenspartnerin zu präsentieren. Er wusste, Christina würde unter den jetzigen
Bedingungen niemals in seinem Haus wohnen. Sie wollte ihre Beziehung geheimer
halten als das brisanteste Staatsgeheimnis der Vereinigten Staaten von Amerika.
Vielleicht hatte sie Recht, vielleicht aber auch nicht. Marc war es inzwischen
schon beinahe egal, was man von ihm denken könnte und welche Konsequenzen
Christinas Vergangenheit für seinen Beruf haben würden. Es nützte alles nichts.
Er liebte diese Frau, mit oder ohne Freispruch!
Pilar hatte die Klageschrift für das Wiederaufnahmeverfahren
fertiggestellt und sie zusammen mit dem Beweismaterial dem Gericht eingereicht.
Man konnte jetzt nicht mehr tun, als geduldig abzuwarten.
Christina unternahm alles, um ihm ein schönes Zuhause zu
bereiten, und er nahm es gerne an. Er fühlte sich jedes Mal, wenn er in ihre
Wohnung kam, so unbeschreiblich unbedeutend. Er genoss dieses unauffällige und
schlichte Leben, was ihn anhaltend an seine Kindheit und Jugend erinnerte. Er
dachte in letzter Zeit sehr oft an seine Eltern. Wie gerne hätte er ihnen diese
Frau vorgestellt. Sie wären sehr zufrieden und beruhigt mit seiner Wahl
gewesen, da war er sich ganz sicher.
Er fuhr wie jeder durchschnittliche Mann morgens zur Arbeit.
Christina verabschiedete ihn mit einem Küsschen an der Wohnungstür und winkte
ihm noch einmal vom Fenster aus zu. Ihm gefiel es, sich abends wie Herr Müller,
Meier oder Schulze
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