Ein Macho auf Abwegen
wusste nur zu genau, wie ernst es ihm damit war.
Entweder sie würde die Sache jetzt souverän angehen, oder er würde es nicht
zulassen, dass sie auch nur einen Fuß aus diesem Wagen setzte. Sie gab sich
alle Mühe, ihre rebellierenden Nerven abzukühlen, nahm Marcs Hand und ließ das
Wagenfenster herunter. Sie pumpte sich ihre Lungen mit tiefen Atemzügen der
frischen Luft auf.
Vor dem Gerichtsgebäude in Málaga war die Hölle los. „Oh,
mein Gott!“, flüsterte Christina schockiert über den Anblick des unerwarteten
Medienrummels. Die Wiederaufnahme dieses spektakulären Falles war natürlich
höchst sensationell für die hiesigen Vertreter aller nur erdenklichen Medien,
und man stürzte sich sogleich auf die ankommenden Limousine, um die „Bestie von
Marbella“, nach so vielen Jahren wieder vor die Linse zu bekommen.
Marc suchte ihre dunkle Sonnenbrille aus ihrer Handtasche,
setzte sie Christina schützend auf die Nase und half ihr beim Aussteigen.
Draußen nahm er sie sofort behütend in den Arm und versuchte sie so gut es
ging, mit seinem Körper vor den neugierigen Blicken des Menschenauflaufes
abzuschirmen. Dank seiner kräftigen Statue, verschwand Christina fast
vollständig in seiner Deckung. Manuel führte die kleine Gruppe an und bahnte
ihnen den Weg durch blitzende und klickende Kameras. Sie wurden von allen Seiten
angesprochen, meistens auf Spanisch, es befanden sich jedoch auch deutsche
Pressevertreter unter den Reportern.
Endlich waren sie im Gebäude angekommen, doch auf dem Flur
vor dem Gerichtssaal sah es auch nicht anders aus. Im Verhandlungssaal lauerten
ebenfalls einige Paparazzi.
Marc führte Christina souverän in eine Ecke des Raumes und
baute sich so vor ihr auf, dass Christina endgültig für alle Welt unsichtbar
wurde. Der Saal füllte sich immer mehr mit Zuschauern und Pressevertretern, die
Geräuschkulisse wurde zunehmend ohrenbetäubender. Einige Fotoreporter knipsten
auf Teufel komm ’raus, doch es gelangen ihnen lediglich Schnappschüsse von
Marcs Hinterteil. „Ein schöner Rücken kann auch entzücken!“, versuchte er zu
scherzen. Christina schaute mit beträchtlich feuchten Augen zu ihm hinauf.
„Marc, ich ...“
„Psst! Ich weiß, ich weiß das doch. In einer Stunde ist hier
alles vorüber, und wir haben das hinter uns. Wenn es gleich losgeht, dann denke
nur an eines: Ich liebe dich, und ich werde dich niemals alleine lassen, egal
was heute ist, oder was noch kommt!“ Er küsste sie zärtlich auf ihre trockenen
Lippen, als der Richter bereits alle Beteiligten aufforderte, ihre Plätze
einzunehmen.
Er begleitete sie zur Anklagebank, direkt gegenüber des
Staatsanwaltes. Pilar setzte sich neben sie, und Marc gesellte sich zu Isabel
und Manuel in die erste Reihe des Zuschauerraumes. Die Reporter nahmen nun
diese letzte Gelegenheit wahr, Aufnahmen von Christina auf der Anklagebank zu
machen. Sie behielt ihre Sonnenbrille auf und schaute apathisch zu Marc und
ihren Kindern hinüber.
Der Richter bat nachdrücklich um Ruhe und erteilte absolutes
Fotografierverbot.
Langsam kehrte Stille ein, und Christina war bereit, ihre
dunkle Brille abzunehmen. Es war ein bizarres Gefühl, hier, an genau der
gleichen Stelle wie damals beim ersten Prozess zu sitzen. Sie hatte sämtliche
Bilder dieser schrecklichen Tage wieder vor Augen, an denen sie sich vollkommen
allein gelassen für Ángels Tod hatte verantworten müssen.
Doch heute war alles anders. Sie war nicht mehr alleine.
Pilar war an ihrer Seite und hatte schützend ihre Hand auf ihr Bein gelegt.
Marc war da, zusammen mit ihren Kindern.
Die Drei saßen dort einträchtig nebeneinander auf der Bank
und wirkten wie eine kleine Familie – ihre Familie. Alle ihre Lieben wollten
ihr in dieser schweren Stunde zur Seite stehen. Sie musste unwillkürlich
lächeln. Nein, heute war der Auftakt für ein neues Leben! Ab heute würde sie
niemals mehr alleine da stehen!
Der Richter eröffnete die Verhandlung und befragte Christina
nach ihren Personalien. Anschließend erteilte er Pilar das Wort, und sie begann
ihren Antrag auf Wiederverhandlung des damaligen Falles, unter Berücksichtigung
der neuen Beweislage, zu verlesen. Der Staatsanwalt stimmte Pilars Antrag zu.
Es waren keine Zeugen vorgeladen worden, und man ging direkt zur Beweisaufnahme
über. Pilar beantragte, zum Schutze der Persönlichkeitsrechte der Angeklagten,
die Filme nicht öffentlich im Gerichtssaal vorzuführen. Der Staatsanwalt
erklärte sich damit
Weitere Kostenlose Bücher