Ein Macho auf Abwegen
unkompliziert die beiden Männer miteinander umgingen.
Im Hotel angekommen, erwartete sie auch schon die nächste
Prüfung. Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatten, und sie gerade einen Espresso
an der Bar bestellten, kam Manuel in Begleitung seiner kleinen Schwester dazu.
Isabel hatte sich derart verändert, dass Christina sich eingestehen musste,
dass sie ihre eigene Tochter niemals auf der Straße wiedererkannt hätte. Sie
war ihrem Vater ziemlich ähnlich, besaß natürlich wesentlich weichere und
weiblichere Züge als Ángel. Sie trug ihr Haar lang und lockig wie ihre Mutter.
Die erste Begegnung mit ihrer Tochter verlief vollständig
gegensätzlich zu Manuels Empfang am Flughafen. Isabel reichte ihrer Mutter
formell die Hand und brachte nur ein knappes „Buenos días“ hervor. Christina
hatte einen dicken Frosch im Hals, der ihr ein selbstbewusstes Sprechen
unmöglich machte. Ein raues „Buenos días, Isabel“, war das Einzige, was sie
herausbekam.
Marc ging die Angelegenheit typisch entkrampft an. „Hallo
Isabel! Ich bin Marc. Da lerne ich dich ja auch endlich mal kennen!“ Isabel
schenkte ihm ein herzliches Lächeln und begrüßte ihn ausnehmend freundlich in
gebrochenem Deutsch. Christina unternahm während des Kaffeetrinkens behutsame
Versuche, ein Gespräch mit ihrer Tochter zu führen, doch irgendwie wollte es
nicht funktionieren. Isabel unterhielt sich, mehr oder weniger angeregt, mit
Marc und ihrem Bruder. Auf ihre Mutter reagierte sie dagegen kaum.
„Das Mädchen kennt dich doch überhaupt nicht. Du bist für
sie eine fremde Person“, beruhigte Marc sie, als sie wieder auf ihrem Zimmer
waren. „Ja, das weiß ich doch, aber es tut so weh. Verstehst du das?“
„Ja, ich kann es mir sehr gut ausmalen, Prinzessin. Das
Mädchen braucht einfach nur Zeit. Das wird schon, mach dir keine Sorgen!“
Das gemeinsame Familienabendessen verlief dann schon ein wenig
ungezwungener. Christina war am Ende bereits wesentlich zuversichtlicher, was
die Begegnung mit Isabel anbelangte
Trotz des immerhin tröstlichen Tagesabschlusses, kam sie
nicht in den Schlaf und wälzte sich fortwährend im Bett herum, was Marc
schlechterdings nicht entgehen konnte. „Hey, was ist denn los? Was zappelst du
denn so? Du hast eine Heidenangst, habe ich Recht?“
„Wenn morgen etwas schief geht, Marc. Das wäre gar nicht
auszudenken“, begründete sie ihm ihre Unruhe. „Was soll denn passieren? Pilar
hat es doch heute schon mehrmals gesagt. Der Staatsanwalt wird auf Freispruch
plädieren. Mach dich doch bitte nicht schon vorher verrückt! Dir kann und wird
nichts passieren!“ Marc erkannte an ihrem ungläubigen Blick, dass jeglicher
Beruhigungsversuch heute kläglich scheitern würde. Sie schaute wie ein
ausgesetzter Dackelwelpe, der mutterseelenallein auf einem Autobahnparkplatz an
einem Papierkorb angebunden worden war. Selbst er schien seine Zauberkraft
verloren zu haben. Alles Reden hätte heute überhaupt keinen Sinn mehr. Er zog
sie zu sich und positionierte ihren Kopf auf seiner Brust. Sie konzentrierte
sich auf seinen regelmäßigen Herzschlag, der sie dann früher oder später
einschlummern ließ.
Am nächsten Morgen sah Christina vollkommen erledigt aus.
Sie sprach kein Wort zuviel und saß am Frühstückstisch, als wäre sie ihre
eigene willenlose Hülle. Ihr Hals schien vollkommen ausgetrocknet zu sein,
selbst der Inhalt einer ganzen Flasche Mineralwasser konnte diesen Zustand
nicht ändern. Sie hatte das Gefühl, je mehr sie trank, umso ausgetrockneter zu
sein. Sie atmete schwer und unkontrolliert, der kalte Schweiß stand ihr auf der
Stirn, und sie hatte das ständige Gefühl sich übergeben zu müssen.
Im Wagen kam dann auch noch Atemnot dazu. Manuel und Pilar bezweifelten
schon, dass sie überhaupt an der Verhandlung teilnehmen konnte. Marc redete
fließbandmäßig beruhigend auf sie ein und machte ihr am Ende den Vorschlag,
doch lieber nicht dem Prozess beizuwohnen. „Ich gehe dahin, komme was wolle!“,
japste Christina atemlos. „Okay, aber so lasse ich dich nicht hineingehen,
Christina“, bestimmte Marc ihr in unerbittlichem Tonfall. „Entweder du
beruhigst dich jetzt auf der Stelle, oder wir bleiben im Wagen sitzen! –
Christina, ich verspreche dir, ich werde die ganze Zeit in deiner Nähe sein. Du
bist nicht alleine! Wir alle sind bei dir, und dir wird nichts zustoßen. Hast
du das verstanden?“
Sie hatte kapiert. Seine Botschaft war unmissverständlich
bei ihr angekommen, und sie
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