Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
Vom Netzwerk:
als Schreibkraft in Großraumbüros, Sachbearbeiterin oder als
Sekretärin. Leider Gottes kamen die meisten Bewerbungsschreiben postwendend
wieder zurück, sodass Christina noch nicht einmal die Chance bekam sich
persönlich vorzustellen.
    Die Zeit verging nur quälend langsam, aber inzwischen waren
wenigstens ihre Arbeitspapiere angekommen. Man hatte sogar eine fristlose
Kündigung nebst einem Zeugnis, welches von Bergmann und Frau Schal
unterzeichnet worden war, beigefügt. Die sofortige Entlassung begründeten sie
mit Christinas falsch gemachten Angaben im Personalfragebogen, der Bestandteil
des Arbeitsvertrages gewesen war. Also hatte Robert es sich nicht nehmen
lassen, sie zu denunzieren. „Kein Wunder, Christina! Warum hast du dich denn
von dem kleinen Dickerchen auch nicht vergewaltigen und martern lassen? Nein,
du musstest ja mal wieder deinen dicken Kopf durchsetzen und den lieben
Autokaiser auch noch als absoluten Loser dastehen lassen!“, sagte sie
selbstironisch.
    Rein zu ihrer persönlichen Unterhaltung las sie sich auch
noch das Zeugnis durch.
    Frau Christina Klasen war vom Soundsovielten bis Soundsovielten
in unserem Hause als Zimmermädchen tätig. Nach kurzer Einarbeitungszeit
arbeitete sie bereits vollkommen selbstständig und erfüllte alle Aufgaben stets
sehr gewissenhaft und zu unserer vollsten Zufriedenheit.
    Wir bedauern ... , bla, bla , bla!
     
    Christina studierte den Text noch einmal genau. Es war ja
alles gut und schön, aber ein klitzekleines und dennoch überaus wichtiges
Wörtchen fehlte: Ehrlich! Dieses Adjektiv konnte sie nirgendwo entdecken. Aus
Erfahrung wusste sie, was das einem Personalchef  verraten sollte: Diese Person
hat mindestens gelogen, wenn nicht sogar gestohlen. Dieses Papier war also
vollkommen wertlos. So konnte sie es absolut niemandem vorlegen. Sie nahm das
Zeugnis nebst Kündigungsschreiben, zerriss beide auf einmal und warf sie, in
tausend Stücke zerfetzt, in den Mülleimer. Akte P! Für weitere Vorhaben nicht
zu verwerten.
    Nun kannte sie schon fast alle Sehenswürdigkeiten ihrer
neuen Heimatstadt. Elisabeth hatte ihr alles Wichtige gezeigt und vieles zur
Stadtgeschichte erklärt. Die beiden Frauen wechselten sich mit der Zubereitung
des Mittagessens ab und luden sich gegenseitig dazu ein. Christina spielte
sogar aus lauter Langeweile mit Elisabeth und ihrem wöchentlichen
Kaffeekränzchen Rommee.
    Ihre Zimmerwirtin war wirklich eine herzensgute Frau, aber
nie und nimmer wäre Elisabeth ein Ersatz für Hilde Clemens. Ach, Hilde! Wie
gerne würde ich noch einmal mit Ihnen plaudern! Sie vermisste eigentlich alles
in Köln. Sie musste oft an ihre Kinder im Frauenhaus denken. Ob sich noch jemand
um den Garten kümmert? Wie gerne hätte sie jetzt einen der kleinen Racker auf
ihrem Schoß sitzen, und wie viel lieber würde sie jetzt eine
Gute-Nacht-Geschichte vorlesen, als Folge 2873 der Dauerserie „Trostlose
Herzen“ anzuschauen.
    Sie vermisste schlichtweg auch die Pausen im Hotel, wo sie
so schön mit Bettina zusammen über alles Mögliche reden konnte. Ach, was
Pink-Lila wohl jetzt über mich denkt?, fragte sie sich oft. Christina wusste,
dass es ihrem neuen Zuhause gegenüber zwar sehr ungerecht war, aber sie
vermisste manchmal sogar ihr Kellerloch. Kurz und gut. Christina langweilte
sich zu Tode, und sie fühlte sich vollständig unnütz und unausgelastet.
    Manchmal hatte sie Glück und wurde zu einem
Vorstellungsgespräch eingeladen. Um dafür gewappnet zu sein und alle Risiken
auszuschließen, legte sie sich für diese Gelegenheiten extra einen schwarzen
Hosenanzug zu. Meistens war sie nicht die Einzige, die eine Einladung zur
persönlichen Vorstellung bekommen hatte. Mit ihr zusammen warteten häufig
einige, natürlich viel jüngere Frauen. Die Halbwüchsigen erschienen, ganz im
Gegensatz zu Christina, in relativ kurzen Röcken und Oberteilen mit tiefem
Dekolleté.
    Die Gespräche liefen alle nach dem gleichen Schema ab.
Christina erzählte ihre Geschichte, um die fehlenden Nachweise plausibel
erklären zu können, dann beantwortete sie brav alle möglichen Fragen der
Personalchefs. Die Herren saßen ihr jedes Mal höflich und bescheiden lächelnd
gegenüber und beendeten die Interviews immer mit ein und demselben Satz: „Wir
melden uns bei Ihnen!“ Don’t call us – We call you!
     
    Am darauffolgenden Tag fand Christina dann den großen
Umschlag mit ihren Bewerbungsunterlagen bereits im Briefkasten der Pension
Elisabeth vor. Irgendwie konnte sie es

Weitere Kostenlose Bücher