Ein Macho auf Abwegen
Make-up ein letztes Mal zu begutachten, nachdem sie
es vorhin allerdings schon Zig-Mal in der Bahn getan hatte. Sicher ist sicher!
Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Nein, nichts war verschmiert, kein
Lippenstift auf und vor allen Dingen keine Essensreste zwischen den Zähnen.
Alles klar! Auf in den Kampf! Noch ein kurzer Blick auf die Uhr. Zehn Minuten
vor Zwei. Das war genau richtig.
Sie musste durch eine gewaltige Drehtür hineingehen,
selbstverständlich auch verglast wie alles andere in dem Komplex, und natürlich
vollautomatisch oder ferngesteuert. Oder, was weiß denn ich? In dem
viergeteilten Rund hatte sie erst einmal ihre Problemchen mit den spitzen
Absätzen ihrer Pumps, die in der grobgelöcherten Gummiauslegeware hängen
blieben. Na, frauenfreundlich ist der Laden nicht gerade!, fluchte sie
innerlich. Oder doch? Vielleicht war die grobe Gummimatte eine Einladung an die
Damenwelt, den Glaspalast in bequemen Birkenstock-Latschen zu betreten. Ganz
nach dem Motto: Reintreten und sich wohl fühlen! Wir gönnen auch Ihnen, meine
Damen, gesunde Füße! Recht so! Mir tun sie sowieso schon weh genug. Was „frau“
nicht alles tut für einen Job!
In der gewaltigen Eingangshalle entdeckte sie den
überdimensionalen Informationsschalter. „Informationcentre“ stand in dicken
Druckbuchstaben auf einem Plexiglasschild, welches über dem Tresen schwebte.
Hier schien man wohl ausschließlich in „english“ und „centres“ zu
kommunizieren.
Christina zweifelte an ihren, doch recht verschlafenen
Englischkenntnissen. Das letzte Mal, als sie englisch sprechen musste, war das
im Hotel mit ihren Gästen von der Insel gewesen. Der übliche Hotelwortschatz
hatte ihr dabei immer genügt. Was sollte sie jetzt dem jungen Mann am
„Informationcentre“ sagen? Konnte sie ihn denn einfach mit: „Guten Tag! Mein
Name ist Christina Klasen, ich habe einen Termin mit Herrn A. Gerber vom
Schreibbüro“ ansprechen? Oder sollte sie lieber gleich auf Englisch reden, um
nicht schon am „Informationcentre“ unangenehm aufzufallen? „Hello!
I’m Christina Klasen. I have a date with Mister A. Gerber, the leader of the
communicationcentre”… oder so? Sie lief ein wenig verunsichert zum
„Informationcentre“ und entschied sich für eine Mischung aus deutsch und
englisch. Er wird mich schon verstehen!
Der blonde Schönling begrüßte sie jedoch wider Erwarten ganz
simpel auf Deutsch. „Guten Tag! Was kann ich für Sie tun?“, fragte er mit
seinem makellosesten Servicelächeln. Christina legte ihm ihre Einladung vor,
und der Hübsche erklärte ihr den Weg. „Gehen Sie bitte bis zum „Meeting-Point“,
dann rechts bis zu den Aufzügen. Fahren Sie bis zur ersten Etage, und nehmen
Sie dort gleich den ersten Gang links. Direkt vor dem „Communicationcentre“
gibt es eine „Lounge“. Nehmen Sie bitte dort Platz. Frau Gerber wird Sie von
dort persönlich abholen.“
Christina hüpfte ihr Herz ein komplettes Stockwerk höher.
Mit-freundlichen-Grüßen-A.-Gerber war eine Frau! Zum ersten
Mal würde ihr Gesprächspartner kein Kerl sein! Im Aufzug beschwor sie alle
Mächte des Universums. Bitte lasst sie hübsch sein! So eine richtige Schönheit.
Auf unhübsche Frauen wirkten gutaussehende Frauen wie Christina immer irgendwie
deprimierend. Und sie soll nicht blond sein! Auf gar keinen Fall! Blonde
Frauen mochten Dunkelhaarige nicht so gerne. Das beruhte aber oft auch auf Gegenseitigkeit.
Dunkelhaarige Frauen hatten den Ruf intelligent zu sein. So ein Blödsinn!
Christina kannte einige Blonde, die intelligenter als sie und viele „morenas“,
die stockdumm waren. Ganz Spanien war voll damit! Aber dennoch, wenn die Haare
dann auch noch lang und lockig waren wie bei Christina, bedeutete das für viele
Männer automatisch: Abenteuer, Exotik, Temperament und wilder Sex! Das störte
manche Blondine noch dazu. Also, hübsch, weder blond, noch pummelig und nicht
so jung dürfte A. Gerber auch noch sein. Bitte keine wandelnde Problemzone! Und
mindestens einmal geschieden. Ja, genau! Eine geschiedene Frau Gerber hätte
sicher viel mehr Verständnis für eine Anfangvierzigerin, frisch geschieden,
job- und fast chancenlos auf dem einheimischen Arbeits- beziehungsweise
Männermarkt. So eine A. Gerber machte ja schließlich dasselbe durch.
Durch ihre positiven Gedanken motiviert, nahm Christina
temperamentvoll die letzte Ecke des Ganges. Sie hatte sich nicht verlaufen.
Hier war sie richtig, denn in der
Weitere Kostenlose Bücher