Ein Macho auf Abwegen
jetzt.
Christina war Mogli und Stevens war Kaa, die Schlange, die mit ihren riesigen,
rollenden Augen andere willenlos machen konnte. Er riss sie aus ihren Gedanken.
„Ist er so ein großes Geheimnis?“, fragte er nach. Sie schaute ihn entgeistert
an. „Wer?“
„Na, der Name Ihres Parfums!“
„Ach so, ja, ja,... Champagner“, stammelte sie. Stevens
atmete genau an ihrem Ohr noch einmal tief ein. „Das riecht aber gar nicht nach
Alkohol“, sagte er kurz auflachend.
„Das Parfum heißt so, Herr Stevens!“ Sie hatte sich wieder
gefangen und sprach klar und deutlich. Er gab sich mit diesem Tanz zufrieden,
und sie kehrten wieder zu der feuchtfröhlichen Latino-Runde zurück.
Christina wollte nicht mehr bleiben. Sie hatte genug von der
heutigen Marc-Stevens-Portion und Angst vor ihrem eigenen Empfinden. „Ich würde
jetzt gerne gehen, Herr Stevens. Ich bestelle mir ein Taxi“, sagte sie. „Ja,
tun Sie das. Wir fahren zusammen“, bestimmte Stevens kurzerhand.
Auf der Fahrt in das Hotel sprachen sie kaum miteinander.
Christina musste über sich selbst nachdenken. Was war das eben nur gewesen?
Spanien? Diese wahnsinnig schöne Stadt? Was hatte sie nur in diese Gefühlslage
gebracht? Der Wein? Das mediterrane Abendessen? Die jungen, hübschen Sänger?
Die Musik? Stevens etwa!?
Sie nahmen an der Rezeption ihre Zimmerschlüssel entgegen
und warteten auf den Aufzug. Christina starrte auf die Stockwerksanzeige des
Fahrstuhls. „Das war ein sehr erfolgreicher Tag heute! Ich hoffe, Ihnen hat
diese Reise letztendlich doch noch ein wenig Spaß gemacht!“, sagte Stevens.
„Ja, danke“, sagte Christina ziemlich krächzend.
„Sie sind ja ganz heiser. Geht es Ihnen nicht gut? Sind Sie
krank?“, sorgte er sich.
„Nein, ich habe wohl nur zuviel geredet. In der Bar war es
ganz schön laut“, erwiderte Christina. „Ja, man musste ganz schön schreien. Und
Sie Ärmste mussten auch noch für uns alle sprechen. Brauchen Sie ein
Medikament? Ich kann noch einmal hinunterfahren und etwas besorgen“, schlug er
oben vor.
Sie waren an Christinas Zimmer angekommen. Die Szene war wie
im Kino. Natürlich hatte sie das erste Zimmer auf dem Gang, sodass Stevens sie
sozusagen nach Hause bringen musste. Und genau wie im Film, war Christina zu
nervös, um den Schlüssel in das Schlüsselloch zu bekommen. Wäre sie ein
raffiniertes Luder, würde sie ihn jetzt augenblicklich herunterfallen lassen.
Ihr Begleiter hätte natürlich die Pflicht, ihn für sie aufheben. Ungeachtet
dessen würde sie sich aber auch nach dem Schlüssel bücken. Ihre Blicke würden
sich dabei unwillkürlich treffen, und ein Kuss wäre unabdinglich.
Doch Christina dachte nicht im Traum an eine solche Missetat.
Stevens lehnte lässig, mit einer Hand in seiner Hosentasche am Türrahmen und
beobachtete sie. Endlich war das blöde Schloss offen, und sie schaute zu ihm
auf, um sich zu verabschieden.
„Darf ich ... ?“, fragte Stevens. „Was?!“, rief Christina
schockiert. Dachte er etwa im Ernst daran, mit in ihr Zimmer zu gehen? Stevens
ahnte, was sie sich vorstellte. „Ihnen ein Medikament besorgen“, klärte er die
Situation. „Oh! ... Nein, danke. Das ist nicht nötig. Es reicht, glaube ich,
wenn ich bis morgen früh nicht mehr spreche“, Christina konnte nur noch
krächzen. „Gute Nacht, Herr Stevens!“
„Schlafen Sie gut! Gute Nacht!“, sexyvibrierte Stevens.
Christina schloss schnell die Tür hinter sich. Geschafft!,
dachte sie erleichtert und drehte den Schlüssel zur Sicherheit gleich zweimal
im Schloss herum. Sie zog sich aus und ging ins Badezimmer.
Wenn es keinen Ángel Moreno, keine Vergewaltigungen, keinen
Mord und kein Gefängnis gegeben hätte, sie hätte ihn mit sich ins Zimmer
gezerrt und heute Abend leidenschaftlichen Sex mit ihm gehabt. Dieser Mann
hatte einen unbeschreiblichen Zauber, der sogar sie bis ins Mark getroffen
hatte. Doch sie wollte das nicht. Sie wollte nicht, dass er auf diese Weise auf
sie wirkte. Sie konnte das auch gar nicht. Sie war keine normale Frau mehr.
Es klopfte an ihrer Tür. Wer sollte das, mitten in der
Nacht, noch sein? Sie fragte vorsichtig durch die geschlossene Türe. „Wer ist
da?“
„Ich bin es, Marc Stevens! Ich habe Ihnen doch noch etwas
gegen Ihre Halsschmerzen organisiert.“
War das ein Trick? Warum konnte er sie nicht ganz einfach in
Ruhe lassen? Musste sie ihm jetzt öffnen, oder durfte sie ihren Chef einfach
wegschicken? Sie überlegte hin und her. Schließlich machte sie
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