Ein Macho auf Abwegen
eigentlichen Tanzmuffel zu bewältigen sein. Das kann ich auch!,
stellte er fest. Ohne noch länger zu grübeln, stand er auf und ging energisch
auf Christina und ihren Tanzpartner zu. Er schob den verdutzten Javi
entschlossen, ohne Rücksicht auf Verluste zur Seite und übernahm die Rolle des
Latinos, der nun kampflos das Schlachtfeld räumte.
Christina war vollkommen überrascht. Sie hatte Stevens
komplett vergessen, sosehr hatte sie sich ablenken lassen. Da musste sie jetzt
definitiv durch. Sie konnte ihn doch unmöglich wieder zurückschicken. Sie
durfte ihn vor seinen Geschäftspartner nicht blamieren. Das hätte er auch nicht
verdient.
„Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu sehr überrumpelt“,
sagte Stevens, „Ist es okay für Sie? Oder ist es Ihnen jetzt zum Davonlaufen?“
Es war alles andere als unangenehm, mit ihm zu tanzen. Sie spürte seine warme,
große, aber auch zarte Hand in ihrer eigenen und seine andere Hand an ihrer
Taille. So gern sie auch behauptet hätte, dass es ihr nicht behaglich wäre,
aber sie fühlte sich trotz seiner körperlichen Nähe wohl. Sehr wohl! – SAUwohl!
Sie antworte nichts, sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt und
schüttelte lediglich schweigend den Kopf. „Sie tanzen ungeheuer gut, Frau
Klasen“, bemerkte er. „Sie auch“, murmelte sie flüchtig und dachte: Das darf
nicht sein, Christina! Du darfst das einfach nicht schön finden!
Marc bemerkte ihr Anspannung und Unsicherheit. Sie wich
direktem Augenkontakt aus und war zweifellos verlegen. Er schmunzelte
innerlich, schickte den Latinos am Tisch ein triumphierendes Grinsen hinüber
und blieb ansonsten äußerlich gelassen.
Endlich spielten die, für Christina heißersehnten letzten
Takte des Songs. Der DJ regelte die Lautstärke herunter, während er
gleichzeitig das nächste Lied einspielte. Christina setzte sofort zum Rückzug
an, doch Stevens dachte nicht im Traum daran, seine soeben erbeutete Trophäe wieder
freizugeben. Er konnte sie gerade noch an der Hand festhalten. „So schnell
kommen Sie mir nicht davon, Frau Klasen!“
Er sah sie standhaft an und zog sie wieder zu sich. Zu allem
Übel war dieser Titel auch noch eine Ballade. So ein richtiger Klammerblues.
Als Teenager hatte ihr diese Art zu tanzen sehr gut gefallen, besonders wenn
ihr gerade aktueller Schwarm auch auf die Party eingeladen war. Das Ziel eines
solchen Stehtanzes war damals stets ein wildes Knutschgelage auf den massig
vorhandenen und auf dem Boden verteilten Kissen gewesen.
Welches Ziel hatte Stevens heute Abend?, schoss es ihr bei
diesen Erinnerungen an ihre Jugendzeit postwendend durch den Kopf. Ihre Körper
berührten sich unweigerlich, und ihr blieb keine andere Möglichkeit als ihren Kopf
an seine Schulter zu lehnen. Er hielt sie sanft in seinen Armen und flüsterte
wohlklingend: „Ich habe nämlich noch einen Tanz bei Ihnen gut, erinnern Sie
sich?“
Du liebe Zeit! Diese Variante seiner Stimme hatte sie ja
noch nie gehört! Bis jetzt hatten sie sich noch nie etwas geflüstert. Seine
Stimme vibrierte derartig sinnlich, dass ihr augenblicklich ein wohliger,
warmer Schauder über den Rücken lief. Sie bekam eine Gänsehaut, ihre feinen
Härchen auf den Armen standen zu Berge, und in ihrer Magengrube schien eine
ganze Ameisenarmee zu patrouillieren. Sie schrie innerlich: Diese Stimme! Das
ist ja eine Waffe! Hat man so ’was schon mal gehört? Da spricht man von den
Waffen einer Frau – Was waren die gegen einen akuten Marc-Stevens-Angriff mit
dieser Geheimwaffe? Ich bin verloren! Ausgeliefert! Ich bin dieser Stimme
vollkommen verfallen! Man musste blind und taub gleichzeitig sein, um eine
solche Attacke von sich zu schleudern. Sie hatte soeben das
Marc-Stevens-Erfolgsgeheimnis entdeckt und am eigenen Leibe zu spüren bekommen.
Funkelperlenaugen und Sexy-Vibrato-Stimme – Das war zuviel!
Marc drückte sie noch etwas näher an sich, denn ihre ganze
Anspannung war von einer Sekunde auf die andere wie weggeblasen. Sie sträubt
sich ja gar nicht, dachte er, und wie gut sie riecht!
„Was ist das für ein Parfum, was Sie benutzen? Sie riechen
so gut.“
Wieder die volle Ladung dieses Sexy-Vibrato! Sie wurde
erneut von diesem wohligen Gefühl durchwärmt. Es darf nicht sein! Es kann
einfach nicht sein! Reiß’ dich zusammen! Lass’ dich nicht einlullen! Du bist
eine erwachsene Frau!
Sie hatte Mogli aus dem Dschungelbuch vor Augen, wie er
gerade von der Schlange hypnotisiert wurde. Genauso fühlte sie sich
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