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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das ist doch …«
    »Er ist wieder da. Er befindet sich gegenwärtig auf dem Flug von Tokio nach Hamburg. So wenigstens habe ich aus den Worten seines Freundes Dr. Petermann herausgehört.«
    »Und warum verständigt man mich nicht zuerst?« rief Holgerson empört. Er sprang auf und zerknüllte in höchster Nervosität die Serviette. »Es gehört sich doch wohl, daß … Na, diesem Petermann werde ich etwas vorsingen!«
    Er wollte zum Telefon, aber Inkens Stimme hielt ihn zurück.
    »Ich habe Petermann angerufen, Vater. Ich erfuhr es von Martha.«
    »Unserer Köchin?« Holgerson blieb ruckartig stehen.
    »Ja. Und die hat es von Metzger Fernholz gehört. Ich dachte erst, es sei nur eines der dummen Gerüchte und rief bei Petermann an. Aber es ist wahr. Martin kommt zurück. Und er hat diese Anuschka bei sich.«
    »Diese Anuschka.« Reeder Holgerson vermied es, in diesem Augenblick seine Tochter anzusehen. Es war weniger Mitleid als die Angst, in ihren Augen wieder eine Spontanreaktion zu ahnen. Tabletten hat sie nicht mehr, dachte er beruhigt. Jeden Tag, wenn sie im Park spazierengeht oder beim Friseur ist, durchsuchen zwei Mädchen die Zimmer. Es gibt kein mögliches Versteck mehr, das wir nicht auch kennen.
    »Es ist unglaublich«, sagte Holgerson, »daß Abels das geschafft hat. Mitten aus Sibirien eine Frau zu holen, heimlich – das ist wirklich unglaublich.«
    »Man kann alles, wenn man einen Menschen wirklich liebt.« Inken sagte es gelassen, so wie man einen Aphorismus vorliest. Aber Holgerson wußte, welcher Schmerz in diesen Worten verborgen lag. »Gehen wir am Samstag hin, Paps?«
    »Wenn du willst –«, antwortete er zögernd.
    »Natürlich will ich. Wir müssen ihm doch gratulieren.«
    »Ja, das müssen wir.« Holgerson riß sein Taschentuch aus der Ziertasche des Anzuges und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. »Du weißt nicht, wann er in Fuhlsbüttel landet?«
    »Nein, Paps. Wir sehen ihn doch am Samstag.« Inken hob den schönen, schmalen Kopf mit den traurigen Augen. »Komm, Paps, setz dich wieder. Der Toast wird ja kalt – und er ist gerade heute so wundervoll goldgelb.«
    Gehorsam setzte sich Holgerson und griff zum Buttermesser.
    *
    Die Maschine kreiste dreimal über dem Flugplatz, ehe sie zur Landung ansetzte und über der Betonpiste einschwebte. Es war Bodennebel, vom Kontroll- und Leitturm aus wurde der schwere, metallene Vogel über Radar eingewiesen und zum Rollfeld dirigiert. Seitlich der Landebahn brannten die Bodenscheinwerfer, die Gepäckwagen, Tankwagen und ein Werkstattwagen rollten von den Schuppen heran und bauten sich in einem Halbkreis vor dem Platz auf, auf dem die Maschine stehen würde. In den Hallen des Flughafengebäudes wurde die Landung über Lautsprecher bekanntgegeben.
    »Maschine XJ 356 Tokio – Bangkok – Karatschi – Ankara – Rom – Frankfurt - Hamburg hat Landeerlaubnis und wird in etwa zehn Minuten landen. Bitte den Ausgang Nummer drei benutzen.«
    Rechtsanwalt Dr. Petermann und Metzgermeister Fernholz standen an der Zollabfertigung hinter einem weißen Gitter und stärkten sich mit einer Zigarette und einigen Schlucken Aquavit aus einer Taschenflasche. Ihre Spannung war nicht mehr zu überbieten. Sie hatten, wie es unter alten Freunden üblich ist, gewettet.
    »Wetten«, hatte Fernholz gesagt, »wenn wir Anuschka sehen, halten wir Martin für verrückt.«
    »Wette dagegen!« hatte Petermann gesagt. »Wir werden sprachlos sein. Ich kenne Martin. Er hat einen Blick für schöne Frauen, und der Kerl bekommt sie auch immer.«
    »Maschine landet«, sagte einer der Zöllner, der aus einem Fenster zum Flugfeld sehen konnte. Er hatte die beiden Herren schon eine Zeitlang beobachtet und nickte ihnen kameradschaftlich zu. »Sie erwarten einen Freund, meine Herren?«
    »Aus Sibirien«, sagte Fernholz.
    »Ach! Spätheimkehrer? Umsiedler?«
    »Nein, Bräutigam.«
    Der Zollbeamte wandte sich brüsk ab. Das hat man nun von seiner Freundlichkeit, dachte er verbittert. Man wird verarscht, wie es fachmännisch unter Männern hieß.
    Die Maschine rollte aus, die hohe Gangwaytreppe wurde angefahren, die verschraubten Türen öffneten sich, eine Stewardeß erschien als erste und sah sich um und bemerkte zwei Herren in Wettermänteln, die einsam am Fuße der Treppe standen. Kriminalpolizei, dachte die Stewardeß und zog sich in das Innere des Flugzeuges zurück. Haben wir denn einen schweren Jungen an Bord? Sie ließ schnell alle Gesichter der Passagiere an sich vorbeigleiten.

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