Ein Mädchen aus Torusk
begann zu singen. Man sollte das verstehen – ein Mann, so innerlich mit Freude gefüllt wie er, mußte sich entladen. Da war das Singen noch das Harmloseste, auch wenn es nicht schön klang. Dafür war es laut, und es war ein altes mongolisches Lied von der Nachtigall, die sich in einen Pfau verliebt. In einen weißen Pfau, allein der Federn wegen.
100 Werst mit dem Schlitten, das ist eine schöne Strecke. Das geht nicht in einem fort, da muß man rasten, sich aufwärmen, dem Pferdchen ein paar Rübchen geben und einen Sack voll Hafer, sich selbst ein Brot mit warmem Speck und ein Schlückchen aus der Flasche. Und schon bei diesen Aufenthalten zum Wohle des Magens bemühte sich Smulkow auch für das Wohlbefinden des Herzens. Er führte verliebte Reden, erklärte, daß ein gereifter Mann das Endziel jeder Frau sei, denn so ein junger Floh müsse ja erst das Beißen lernen, wohingegen ein alter genau weiß, wo er zu saugen hat … er war eben ein fröhlicher Mensch, der gute Smulkow, und verstand es, mit Worten und Sinnbildern umzugehen. So etwas lernt man auf der Parteirednerschule in Tschita.
Sechs Stunden waren sie unterwegs, das Pferdchen wurde müde, Mähne und Schweif waren bereift, und an den Hufen klebten Eisstückchen. Nicht so Smulkow. Er hatte eine Flasche Wodka geleert und befand sich im Stadium ungeheurer Stärke. Er erzählte aus dem Großen Vaterländischen Krieg gegen die Deutschen. Ein Held sei er gewesen. Ganz allein habe er einen Brückenkopf gehalten, mit einem Maschinengewehr und einem Granatwerfer. Immer hin und her sei er gesprungen, vom MG zum Granatwerfer und wieder zurück, dort geschossen, hier gebumst, und die Deutschen, diese Dummen, haha, seien am anderen Ufer geblieben, weil sie dachten, da drüben liege eine ganze Kompanie. – Daß Smulkow in Wirklichkeit den ganzen Krieg über bei einer Transportstaffel gewesen war, Granaten von Lager zu Lager gefahren hatte und das Schießen nur von den Übungen her kannte, verschwieg er. Ein Mann ist immer ein Held, wenn er mit einer hübschen Frau spricht!
Jedenfalls kamen sie in Tygdinsk am späten Nachmittag an, Smulkow sehr betrunken und Amalja sehr erschöpft. Sie fuhren zu einer Herberge neben dem Parteihaus, das auch nichts anderes war als eine aufgestockte Holzbaracke, und Smulkow, das schlaue Füchslein, verhandelte mit dem Genossen Hotelier unter der Hand und verlangte ein Zimmerchen mit zwei Betten.
Amalja Semperowa ließ es geschehen. Sie tat, als höre sie nichts, ging auf das Zimmer, bewunderte die Bettwäsche aus Leinen, die Aussicht aus dem Fenster und erwähnte mit keinem Wort die Tatsache, daß zwei Betten nebeneinander standen. Smulkow tat einen innerlichen Freudensprung. Sie nimmt es hin, jubelte er. Es ist ihr selbstverständlich. O mein Täubchen, mein Schmetterling …
Er jagte hinunter in die Wirtschaft, holte eine neue Flasche und trank sie auf dem Zimmer halbleer. Bitte, nehmt ihm das nicht übel. Jeder Mensch begrüßt das große Glück anders. Smulkow soff.
Was Amalja erwartet hatte, trat nach einer halben Stunde ein.
Smulkow legte sich röchelnd auf sein Bett, streckte alle viere von sich und schlief ein. Er schnarchte so laut, daß das Bett wackelte, und reagierte auch nicht mehr, als Amalja ihn kräftig schüttelte. Und dann tat sie etwas, was ein wohlerzogenes Mädchen nicht tun sollte: Sie zog den dicken Smulkow aus, bis auf Unterhose und Unterhemd natürlich, nahm ihm die Stiefel und die Socken weg, die Hose und die Jacke und den Pelz, die Fellmütze und die Handschuhe und ließ ihm nur das Unterzeug. Sie deckte ihn zu, verschnürte Smulkows Kleider zu einem Bündel, klemmte es unter den Arm und verließ die Herberge. Da es Abend war und die Arbeiter der Eisenbahn in der Wirtsstube standen und sich aufwärmten, beachtete sie niemand.
Sie versteckte das Kleiderbündel wenig später in einer herumliegenden Kiste, ging zurück zur Herberge und in den Stall und gab dem Pferdeknecht 10 Kopeken, als er auf Verlangen das Pferdchen heranführte. Am Zügel zerrte sie es eine Zeitlang durch die Stadt, schwang sich dann auf den struppigen Rücken und ritt auf der Straße nach Tora hinauf nach Norden.
So weit war alles gutgegangen. Smulkow würde bis zum späten Morgen schlafen und dann entdecken, daß er allein im Bett lag und aller Kleidung beraubt war. Das war peinlich, aber er würde keinen Krach schlagen oder eine Anzeige loslassen, denn das Doppelbett war fatal, und die Sache konnte Axinja zu Ohren kommen. Er
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