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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mensch!« sagte der Arbeiter, nahm die Flasche, setzte sie an den Mund und soff sie leer.
    So sind die Menschen! Immer unbändig, wenn man ihnen gut sein will!
    Mit nichts als dem, was er auf dem Leib trug, ging Martin Abels weiter. Hier werde ich etwas bleiben müssen, dachte er. Man muß Geld verdienen, um weiterzukommen. Es ist unmöglich, ohne einen Rubel in der Tasche nach Norden zu ziehen. Vielleicht drei oder vier Wochen, das genügt.
    Er kam in eine künstlich durch Baracken aufgeblähte Stadt, in der es trotz des Winters wie in einem Ameisenhaufen wimmelte. So fiel es überhaupt nicht auf, daß ein bärtiger großer Mensch sich unter die anderen mischte.
    *
    Dorfvorsteher Smulkow hatte seinen Schlitten geputzt, die Kufen mit Fett eingerieben, das Gestänge geölt und das Pferdchen gestriegelt. Wenn man mit einem so süßen Täubchen wie Amalja durch die Gegend fährt, muß es wie ein Feiertag werden. Seine Frau Axinja war zwar verschnupft und lief herum wie ein kastrierter Kater, aber Smulkow hatte ihr mit vielen Worten klargemacht, daß sie nicht mitfahren könne. Erstens sei die Reise eine politische Angelegenheit, zweitens sei es für das Pferdchen zu schwer, drei Personen zu ziehen, und drittens beleidige es die Gastfreundschaft, wenn man mißtrauisch ist und nur mitreisen will, um zu sehen, ob der Ehemann auch nicht die Röcke verwechselt.
    Smulkows Rede war flüssig, aber sie überzeugte nicht. Immerhin blieb Axinja zu Hause, was das wichtigste war, egal, ob sie nun an Smulkows ehrliche Seele glaubte oder nicht.
    Der Tag war wieder herrlich für eine Reise. Die Sonne schien, der Himmel leuchtete hellblau, der Schnee stäubte wie Pulver, das Pferdchen scharrte und wieherte, und es war Smulkow, als müsse er mitwiehern. Freunde, welches Glück, mit 46 Jahren noch so lustvoll zu sein! Das macht das gesunde Leben in Nagornoje. Auch das wollte er den Genossen in Tygdinsk sagen: Wenn ihr die Bahn 100 Werst nach Norden laufenlaßt, kommt ihr in das ewige Leben hinein! Seht mich an, Brüderchen! Ich stehe im Saft wie eine junge Birke!
    Und dann ging es los! Hui, wie glitt der Schlitten über den Schnee, hinaus auf die Straße. Das Glöckchen am Halse des Pferdchens bimmelte fröhlich; das hölzerne, mit bemaltem Leder überzogene Spitzkumt schwankte auf dem Nacken, die Mähne flatterte und der Schwanz wehte über die Geschirriemen, und Smulkow saß vorne auf dem Bock, lobte Gott und unterdrückte den Drang zu singen. In der Tür des Hauses stand Axinja, dick und in ihren Wattekleidern unförmig, und winkte. Was sollte sie auch anderes tun? Ein Mann ist wie ein Bock, der am hellsten meckernden Ziege läuft er nach. Man muß sich mit solchen Naturgegebenheiten abfinden.
    Hinten im Schlitten, im warmen Stroh, eingehüllt in zwei Wolldecken und zugedeckt mit einem Bärenpelz, saß Amalja Semperowa und winkte zurück. Sie wußte, daß es ein Abschied für immer war. Ahnungslos fuhr Smulkow sie in jene Stadt, von der aus sie nach Norden, nach Tora, finden mußte.
    Sie hatte ihr ganzes Gepäck mitgenommen, vor allem den kleinen. Sender und die beiden Pistolen samt Munition. Eine von ihnen, geladen und gut geölt, trug sie an einem Gürtel unter der linken Achsel. Man erkannte es nicht, denn Amalja konnte weibliche Formen vorweisen, und niemand vermochte zu sagen, wo die Natur aufhörte und das lederne Schulterhalfter begann.
    Man wird drei Tage in Tygdinsk bleiben, dachte Smulkow und hatte Mühe, das Wasser, das ihm im Mund zusammenlief, wieder hinunterzuschlucken. In drei Tagen wird man Gelegenheit finden, jugendliche Frische zu beweisen. Ippolitschi, hatte sie zu ihm gesagt. Das war ein Versprechen. So etwas kannte man. O du Sonne, du Himmel, du Schnee, du trabendes Pferdchen, beneidet den glücklichen Smulkow! Kling, mein Glöckchen, lauf, mein Gäulchen – wir fahren in die Seligkeit.
    Amalja Semperowa hatte völlig andere Gedanken. Sie waren real und kalt wie die Luft, durch die sie glitten. Bevor sie abfuhren, hatte sie noch einmal versucht, den Agenten QI zu erreichen. Aber der Äther war still. Es antworteten keine Morsezeichen, es gab keinen Kontakt mehr.
    In der Nacht hatte Amalja die Spezialkarte studiert. Nach Tora führte eine einzige Straße, durch Schluchten und wilde Täler und vorbei am 1.220 Meter hohen Berg Ewata. Auf dieser Straße verkehrten die gesamten Nachschubfahrzeuge zum Siedlungsgebiet am Flusse Aldan. Einen anderen Weg gab es nicht, es sei denn durch die Wildnis der Berge.
    Smulkow

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