Ein Mädchen aus Torusk
für weibliche Schönheit, Nikolai Stepanowitsch?«
»Doch. Sie zum Beispiel sind ein Engel.«
»Ich kann eine Bestie sein.«
»Dann wären Sie keine Frau, wenn's nicht so wäre.«
Sie lächelte noch einmal unergründlich, legte dann den Kopf auf Abels' Schulter, schmiegte sich in seinen ihre Schulter umfangenden Arm und schwieg.
Nach drei Stunden erreichten sie die Datscha. Es war ein großes Gehöft mit vier mächtigen Holzhäusern, Stallungen, einem Park und einem Gerätehof. Um das ganze Anwesen zog sich eine hohe Holzpalisade. Schutz gegen Bären, Wölfe und Tiger.
Mit großem Hallo fuhr der Schlitten in den Innenhof. Ein Knecht, Anfim mit Namen, stellte sich den Pferden entgegen und hielt sie an. Hinter den Fensterscheiben drängten sich Gesichter. Ein dicker Mensch, schwankend, sichtlich betrunken, eine Flasche noch in den feisten Händen, trat in die Tür und winkte grölend.
»Sie haben sich vermehrt, Brüderchen!« schrie er. »Aus zwei sind vier geworden! Teufel, Teufel, wie der Tasskan das kann!«
Marfa Umatalskaja schlief fest. Und wenn sie nicht schlief, so spielte sie jedenfalls die Schlafende meisterhaft.
Martin Abels trug sie auf seinen Armen ins Herrenhaus. Sie war leicht wie eine Puppe, Anfim, der Knecht, zeigte ihm den Weg. Tasskan blieb draußen und erklärte Amalja mit weiten Handbewegungen seinen Besitz.
Es war ein herrlicher Flecken Erde. Im Sommer blühten Rosenhecken und standen im Teich hinter dem Herrenhaus wilde Flamingos. Jetzt, im Winter, rauschten die mächtigen Kiefern und Fichten, wenn der Schnee abrutschte und ihre breiten Zweige in die Höhe schnellten.
»Sie sind ein glücklicher Mensch, Wassilij Petrowitsch«, sagte Amalja leise. Und Tasskan nickte und sagte:
»Jetzt ja, Amalja Semperowa. Ab heute der allerglücklichste.«
*
In dieser Nacht wurde ein Mensch ermordet.
Man fand den dicken, besoffenen Komiker Pawel Andrejewitsch Suskin mit eingeschlagenem Schädel auf dem Flur liegend, vor der Tür des Fremdenzimmers, in dem der neue Gast Amalja schlief. Es war kein schöner Anblick. Aus der eingestampften Hirnschale floß das Hirn, der Flur war mit Blut besudelt, sogar hoch an die Wände hatte es gespritzt. Wie in einem Schlachthaus sah es aus, in dem der Schlächter schlecht mit dem Bolzen gezielt und den Stier nur angekratzt hatte.
Die Aufregung war groß. Marfa Umatalskaja fiel in Ohnmacht, als sie auf den Flur trat, denn sie war diejenige, die den Mord entdeckte. Tasskan rief sofort nach einem Pferd, aber man hielt ihn davon ab, hundert Werst bis zur nächsten Station zu reiten und die Gendarmerie zu alarmieren. »Einfacher ist's zu funken!« schlug jemand von den Filmleuten vor. In wenigen Minuten war der Flur mit halbangezogenen, durcheinanderredenden Menschen gefüllt, die alle auf den toten Suskin starrten und auf sein ausgeflossenes Gehirn.
»Soviel?« sagte jemand. »Dabei war er doch so dumm!«
Tasskan rief um Hilfe. Er benutzte dazu einen Kleinsender, der im Winter die einzige Verbindung der Datscha zur Außenwelt war. Nach der ersten Aufregung sagte er sich, daß es notwendig sei, den Mord zu melden, denn immerhin war Suskin ein bekannter Komiker gewesen. Andererseits war es immer unangenehm, wenn die Polizei ins Haus kam. Unangenehm vor allem für seine Gäste Amalja und Nikolai Stepanowitsch.
Während man über den verkrümmten Körper Suskins eine Decke breitete – die alte Haushälterin Natalja gab sie erst heraus, als man zum Schutz gegen Flecken noch einige Lagen Zeitungspapier über den Toten schichtete – und darüber diskutierte, wer der Mörder sein könnte, saß Abels am Bett Amaljas und war wütend.
»Sie haben uns da eine schöne Schweinerei eingebrockt!« rief er. »Ich habe es geahnt! O Gott, hätte ich Sie doch in Tygdinsk gelassen! Nun wird die Polizei kommen, und was dann?«
»Ich habe ihn nicht getötet!« schrie Amalja. Sie sprang aus dem Bett und rannte in einem dünnen Nachthemd hin und her. Es war heiß im Zimmer, ein Eisenofen versprühte Wärme. Abels zeigte auf das durchsichtige Bekleidungsstück.
»Woher haben Sie das? Das ist doch nicht in Ihrem Gepäck?!«
»Tasskan hat es mir gegeben.«
»Ach! So weit sind Sie also schon? Reizwäsche in der Taiga! Betty, machen Sie aus unserem ernsten Unternehmen keinen billigen Hollywoodfilm! Ich habe kein Interesse daran, in Karaganda im Bergwerk zu enden oder oben am Eismeer beim Straßenbau. Ich habe lange genug die sowjetischen Straflager kennengelernt, um zu wissen, daß ich
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