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Ein Mädchen aus Torusk

Ein Mädchen aus Torusk

Titel: Ein Mädchen aus Torusk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gästezimmer, vor dem noch immer die Leiche Suskins lag, jetzt nicht mehr zugedeckt, denn er wurde von allen Seiten fotografiert. Der Protokollarier hielt einen Vortrag, daß dies hier ein kleiner Fisch sei, man habe schon ganz andere Dinge aufgeklärt, zum Beispiel den Mord an der Witwe Kamanjew, die sieben Liebhaber hatte, und jeder hatte sie umgebracht. Man muß sich das vorstellen – sieben Mörder und ein Opfer! Das war ein Fall! Man hörte dem widerlichen Menschen zu und bemühte sich, ihn nicht zu verärgern, denn allen, die im Hause Tasskans wohnten, saß der Schrecken im Nacken. Der Mörder Suskins war noch unter ihnen, jeder konnte es sein, auch wenn keiner es dem anderen zutraute.
    Tasskan hatte Amalja wie auf dem Theater zurechtgemacht. Sie lag bleich und mit geschlossenen, dunkel umrahmten Augen im Bett, zugedeckt bis zum Hals, und schien tief zu schlafen. Sie sah ergreifend aus, erschütternd in ihrer bleichen Schönheit. Kommissar Alajew und Tasskan betraten das Zimmer auf Zehenspitzen und blieben vor dem Bett stehen. »Sie schläft, das arme Vögelchen«, sagte Tasskan leise. »Sieh nur, Brüderchen, wie zerbrechlich sie ist. Liegt sie nicht da wie Julia nach dem Tode Romeos?«
    Alajew nickte. Er fand den Vergleich mit Julia sehr schön und verzichtete darauf, Amalja aufzuwecken.
    »Das Erlebnis hat ihre Nerven zerstört«, sagte Tasskan. Er flüsterte es Alajew ins Ohr, weil sich Amalja seufzend im Bett bewegte. »Wir sollten sie schonen. Was weiß sie schon? Sie war doch im Zimmer, nicht davor –«
    »Das stimmt. Gehen wir.« Auf Zehenspitzen schlichen sie wieder aus dem Zimmer und drückten ganz vorsichtig die Tür ins Schloß. Dabei stieß Alajew gegen den Bauch des toten Suskin und fluchte leise.
    »Noch nicht fertig?!« fauchte er den Protokollarier an. »Was ist denn noch?«
    »Mir gefällt der Tote nicht, Genosse Kommissar«, sagte der wichtigtuerische Mensch.
    »Mir auch nicht! Eine Schönheit war er nie! Aber was soll's? Kommt es darauf an?«
    »Er wurde von vorn erschlagen. Sein Kopf ist nicht hinten aufgeplatzt, sondern über der Stirn. Einen solchen Schlag kann man nicht von hinten führen. Suskin hat seinen Mörder angesehen, er hat ihn erkannt, hat sich deshalb nicht gewehrt … und bum, war er tot!«
    Alajew betrachtete den Protokollarier wie eine dickgesaugte Wanze. Immer diese Intelligenzler, dachte er. Sie machen einem das Leben schwer. Anstatt zu sagen, der Täter hat den armen Suskin meuchlings überfallen, entdeckt er, daß es ein Mord unter Freunden war. Bei Gott, welche Schwierigkeiten gibt das wieder!
    Der Kommissar seufzte, ordnete an, daß man den Leichnam endlich entfernen solle – denn weder die berühmte Marfa noch das Vögelchen Amalja getrauten sich aus den Zimmern, solange der dicke Tote herumlag – und ging in den großen Speisesaal der Datscha, um mit den Verhören zu beginnen.
    Den ganzen Tag über befragte er die Gäste Tasskans, natürlich ohne Erfolg. Die Filmleute waren harmlos, sie hatten geschlafen. Was soll man in der Nacht auch anderes tun? An weiblichem Personal waren nur zwei alte Weiber auf der Datscha, es lohnte sich also nicht, wach zu bleiben. Auch Abels wurde verhört. Tasskan stellte ihn vor als Tontechniker der Filmgesellschaft. Alajew verzichtete auf lange Reden, notierte sich bloß den Namen Nikolai Stepanowitsch Arkadjef und schloß dann die Verhöre mit dem Satz: »Es ist alles Mist, Wassilij Petrowitsch! Sie haben mir einen Hirschbraten versprochen – das ist das einzig Reale!«
    Wie vorauszusehen: Die Untersuchung brachte nichts an den Tag. Es gab kein Motiv außer dem, daß Suskin dem kleinen Täubchen Amalja an die Ehre wollte, aber das war so selbstverständlich, daß man deswegen keinen Mord begeht. Kommissar Alajew schloß deshalb die Akten und stützte den Kopf in beide Hände.
    »Ich muß Sie alle verhaften!«, sagte er traurig.
    Tasskan lächelte verlegen. »Machen Sie keine Scherze, Genosse Alajew.«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Ein Toter, der Mörder im Haus, aber keiner ist's gewesen! Ich muß Sie alle mitnehmen. Wie stehe ich sonst da in Irkutsk? Ein Nichtskönner ist er, wird man sagen. Da bringt man einen Volksschauspieler um, haut ihm das Schädelchen ein, es kommen nur zwanzig Personen dafür in Frage, aber der Alajew findet keinen! Das ist blamabel! Ich werde Sie alle einsperren müssen, Wassilij Petrowitsch.«
    »Lassen Sie uns das ganz genau überlegen, Genosse Kommissar«, sagte Tasskan nachdenklich. »Wie sind

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