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Ein Magier in Nöten

Ein Magier in Nöten

Titel: Ein Magier in Nöten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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tun müssen, Wunt.«
    Ich schluckte und griff mir Drachisch für Anfänger. Ich drehte mich nach der Burg von Gurnish um, diesem armseligen kleinen Flecken hundert Meter von der Hügelspitze entfernt. Qualmwolken drangen aus den Fenstern, ab und zu von Flammenstößen begleitet. Und ich konnte ein tiefes Grollen ausmachen, das alle anderen Geräusche unterlegte. Ein Grollen, das sich von Zeit zu Zeit zu einem Brüllen steigerte.
    Der Gedanke an den Drachen beherrschte mich völlig.
    Der Herzog zupfte an meinem Umhang. »Drache!« wisperte er. »Die letzte Möglichkeit abzuhauen.«
    »Es wird Zeit, dort einmal nach dem Rechten zu sehen«, entgegnete Ebenezum. »Sieh in das Buch, Wunt. Vielleicht können wir den Drachen mit höflicher Konversation dazu bewegen, die Burg zu räumen.« Er schüttelte den zitternden Herzog von sich ab. »Und wenn Ihr, guter Herr, einen Augenblick still sein würdet, könnten wir uns an die Aufgabe machen, Euer Heim und Eure Tochter zu retten. Im Ernst, ich finde, Ihr habt keinen Grund, Euch zu beklagen – bei dem Glück, das Ihr bis jetzt hattet. Die meisten Leute hätten den bösen Zauber, der jüngst über diesen Wald fiel, nicht überlebt. Wie Ihr es geschafft habt, Euch durch diese mächtigen Kräfte zu mogeln, ist jenseits aller…« Ebenezum schwieg plötzlich. Er bedachte den Herzog mit einer hochgezogenen Augenbraue und strich sich gedankenverloren seinen Bart.
    Das Grollen aus der Burg wurde wieder lauter. Ich öffnete das dünne Bändchen, das ich in meinen schwitzigen Händen hielt; ich mußte meine heimliche Geliebte retten.
    Ich blätterte hektisch von Seite zu Seite und fand endlich einen Satz, den ich für angemessen hielt:
    »Entschuldigt bitte, aber dürften wir mit Euch sprechen?«
    So laut, wie es mir nur irgend möglich war, spuckte ich die drachischen Silben hervor.
    »Snzz grah! Subba Ubba Szzz!«
    Eine beeindruckende, tiefe Stimme klang aus der Burg heraus. »Sprich bitte in der Gemeinsprache, ja? Und übrigens, ich glaube nicht, daß ich einen Nachtstuhl habe.«
    Mit einem Seufzer der Erleichterung schloß ich das Buch. Der Drache sprach die menschliche Sprache!
    »Trau ihm nicht!« schrie der Herzog. »Drachen sind hinterhältig.«
    Ebenezum nickte. »Geh mit äußerster Vorsicht vor, Wunt. Irgend jemand ist hier hinterhältig.« Er wandte sich zu dem Herzog um. »Ihr!«
    »Ich?« erwiderte der gurnische Edelmann, während er sich in meine Richtung zurückzog. Ebenezum folgte ihm.
    Sie stritten sich schon wieder. Doch ich hatte keine Zeit für eitle Wortgefechte. Fest ergriff ich meinen Stab, um dem Drachen und meiner belle d’après-midi gegenüberzutreten.
    Der Herzog, dessen Mut offensichtlich zurückgekehrt war, stand direkt hinter mir. »Vorwärts, Zauberer!« schrie er mit lauter Stimme. »Besiege den Drachen! Vertilge ihn für immer vom Antlitz der Erde!«
    »Oh, nicht auch noch ein Zauberer!« ließ sich die Stimme aus der Burg vernehmen. »Erst werde ich in Burg Gurnish eingesperrt, dann muß ich Eure wunderschöne Tochter entführen, und nun auch noch ein Zauberer! Wie langweilig! Hat denn niemand hier ein bißchen Phantasie?«
    Ich kam zu einer großen Eichentür und trat mit dem Fuß dagegen. Sie schwang ohne Widerstand auf, und ich betrat den Raum, um mich dem Drachen zu stellen.
    Er stand auf seinen Hinterbeinen und betrachtete mich ebenfalls. Er war genauso, wie der Herzog ihn beschrieben hatte, nur größer. Blaue und violette Schuppen, fünfundzwanzig Fuß groß, Schwingen, die an die Decke reichten. Die einzige Sache, die der Herzog übersehen zu haben schien, war der grüne Zylinder auf dem Kopf des Drachen.
    Sie erblickte ich eine Sekunde später.
    Sie stand neben dem Drachen. Sie war so schön, wie ich sie zuletzt gesehen hatte.
    »Wuntvor«, sagte sie. »Was machst du denn hier?«
    Ich räusperte mich und stampfte mit meinem Stab auf den ausgetretenen Steinfußboden. »Ich bin gekommen, um dich zu befreien!«
    »Befreien?« Sie sah den Drachen zweifelnd an. Der Drache knurrte. »Vater hat dich also auch hinters Licht geführt?«
    Der Herzog machte sich lautstark hinter mir bemerkbar. »Ich habe Euch gewarnt! Jetzt wird der Drache euch alle zu Holzkohle verbraten!«
    Der Drache prustete gutmütig und wandte sich wieder einer eingehenden Betrachtung der Decke zu.
    »Das Spiel ist aus, Herzog!« rief Ebenezum von der Tür, die weit genug entfernt war, daß er nicht in die magische Aura des Drachen geriet und einem neuerlichen Niesanfall erlag.

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