Ein Magier in Nöten
grauen Robe ab. »Ebenezum? Bist du es wirklich?«
»In der Tat.« Mein Meister nahm schwungvoll seinen Hut ab. »Direkt aus den Westlichen Königreichen! Ich hatte gehört, daß du in diesem Gebiet praktizierst, hatte jedoch nur geringe Hoffnung, dich auch wirklich anzutreffen.«
Solima bedachte meinen Meister mit einem traurigen Lächeln. »Es ist gut, dich wiederzusehen, Eb. Dieser weiße Bart steht dir gut; er läßt dich weniger schuftig aussehen. Leider haben in diesem Tal Entwicklungen stattgefunden, die es wohl verhindern werden, daß ich jemals wieder zaubern werde.«
»Wir haben Tork auf dem Weg hierher getroffen, Mutter.«
»Ihr habt also den Prinzen kennengelernt!« Solima zog eine Pfeife aus ihrem Ärmel und klopfte sie kurz gegen den langen Tisch, der die Mitte des Raumes ausfüllte. »Hat er sich den Fremden gegenüber als gastfreundlich erwiesen?«
»Er wollte uns festnehmen!« antwortete ihr Norei.
»Für Tork ist das Gastfreundschaft.« Sie schnippte mit den Fingern, und schon kräuselte sich ein Rauchfähnchen von ihrem Pfeifenkopf empor. »Hast du ihnen schon unsere bedrängte Lage geschildert, Tochter?«
»Ich war zu sehr in Sorge, daß Tork uns wiederfinden könnte!«
»Gut so. Also laßt mich über unseren Lehnsherrn berichten!«
»Solima.« Ebenezum machte einen Schritt auf die Frau zu. »Laß mich dir erst etwas über deine Augen sagen!«
»Ebenezum! Es ist Jahre her!« Sie sah Ebenezum mit eben jenen grünen Augen an, die sie offensichtlich auch ihrer Tochter vererbt hatte. »Nebenbei bemerkt, du hast das Thema gewechselt. Prinz Tork sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen!«
Mein Meister seufzte und zuckte die Schulter. »In der Tat. Tork ist der Magier, dem wir begegnet sind?«
»Nun, zumindest hält er sich für einen Magier. Er hat noch nie einen Spruch anständig herausgebracht, und deshalb verfolgt er jeden, der richtig zaubern kann, mit seiner Eifersucht und hat jede Magieausübung außer der eigenen im Tal verboten.«
»Bei ihm verkehrt sich alles!« ergänzte Norei. »Seine bösen Sprüche haben gute Effekte und umgekehrt.«
»Zum Glück für uns«, fuhr Solima fort, »ist Torks Charakter so geartet, daß er selten bis nie einen guten Spruch ins Auge faßt. Und doch ist es ihm gelungen, die verschiedensten Geschöpfe aus den Niederhöllen zu beschwören, unter anderem einen Riesen mit ziemlich schlechter Laune.«
Ebenezum kratzte sich am Bart. »Das klingt bedenklich. Aber wenn er so unfähig ist, könntest du dann nicht leicht einen Spruch landen, der ihn unschädlich macht oder verschwinden läßt?«
Solima seufzte. »Wenn wir uns frühzeitig über alles klar gewesen wären, wäre das in der Tat ein Kinderspiel gewesen. Aber Tork ist so ein Schwachkopf, daß wir ihn einfach ignoriert haben, bis er eines Tages mit einer Armee von Dämonen vor unserer Tür stand und meine beiden Schwestern gefangennahm.«
»Von einem unfähigen Magier erpreßt…« Die Stirn meines Meisters legte sich in Falten. »Und es gibt keine Möglichkeit, seine Verbündeten aus den Niederhöllen zu überwältigen?«
»Keine, von der ich wüßte. Du bist mit der Art und Weise, wie meine Familie Magie auszuüben pflegt, vertraut, Ebenezum. Es ist ein gemeinschaftlicher Prozeß, an dem jede Frau teilnimmt. Dann erst ist unsere Magie wirklich mächtig. Da meine beiden Schwestern fort sind, hat sich unsere Macht sehr vermindert. Natürlich sind immer noch Norei und Großmutter übrig…«
»Großmutter?« Anzeichen von Furcht schwangen in der Stimme des Zauberers mit. »Sie lebt noch?«
Solima nickte. »Sie wohnt in der Dachkammer.«
»Würde sie sich an mich erinnern?«
»Großmutter erinnert sich an alles!«
»Vielleicht«, sagte Ebenezum, »sollten mein Lehrling und ich uns ein wenig ausruhen. Vielleicht in einer Scheune oder auf einem Feld weiter draußen.«
»Keine Angst. Sie kommt selten nach unten.« Solima klopfte erneut ihre Pfeife gegen die Tischkante. »Übrigens haben wir noch nicht über den schlimmsten Aspekt von Torks Zauberei geredet.«
Ebenezum warf schräge Blicke auf die Leiter, die nach oben führte. »Vielleicht könnten wir darüber bei einem kleinen Spaziergang draußen weiterreden? Ich könnte ein wenig Bewegung gut brauchen!«
»Unsinn. Hör mir jetzt zu. Jedesmal, wenn ihm wieder ein Spruch danebengeht, wird Tork ein klein wenig frustrierter. Und mit jeder neuen Frustration denkt er, daß er sich selbst mit einem wahrhaft schwierigen Spruch beweisen
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