Ein Magier in Nöten
muß. Diese psychische Zwickmühle hat sich für ihn so lange gedreht, daß er, wahrscheinlich noch diese Nacht, Fisbies Großen Forxnagel versuchen wird!«
Was an Blut noch in Ebenezums Wangen pulste, verschwand nun vollständig. »Den Forxnagel? Aber wenn der nicht gelingt…«
»Genau. Ich kann mir vorstellen, daß dieses Tal dann zur achten Ebene der Niederhöllen wird. Wer weiß? Vielleicht würde bald die ganze Welt folgen.«
Lange dauerte das Schweigen, dann sprach Norei: »Wahrscheinlich ist der Vorschlag des Magiers gar nicht so schlecht. Wir sollten den beiden ein wenig Ruhe gönnen. Und dann, wenn der Forxnagel beginnt, können sie mit frischen Kräften zu uns stoßen, und wir fünf können ihn bekämpfen.«
Solima zog einen Augenblick schweigend an ihrer Pfeife, dann nickte sie zustimmend. Norei führte uns aus dem kleinen Häuschen zu einem noch kleineren Verschlag im Hinterhof. Ebenezum folgte schweigend.
Er sprach erst, als Norei fort war. »Sie hat die schönsten grünen Augen, Wunt! Wir hatten eine wunderbare Zeit zusammen, damals, als ich nicht älter war als du jetzt. Aber ihre Großmutter!« Er schüttelte sich.
So hatte ich meinen Meister noch nie erlebt. Um nur irgend etwas zu sagen, fragte ich ihn nach dem Forxnagel.
»Mm?« Die Frage schien ihn aus seinen Gedanken aufzuschrecken. »Oh, das ist der Große Spruch, der dir die Welt zu Füßen legen wird. Natürlich ist er ganz spekulative Magistik, man hat ihn noch nie in der Praxis ausprobiert. Ach, diese grünen Augen! Ich habe diesen Weg nach Vushta gewählt, um zu erfahren, ob Solima immer noch hier lebt. Sie ist eine mächtige Hexe und mir absolut ebenbürtig. Doch als ich ihre Augen sah, habe ich meine Krankheit vergessen, diese Krankheit, die, wie ich bis jetzt geglaubt habe, mich zu dieser Reise veranlaßt hat. Ach, wenn nur diese Alte nicht mehr am Leben wäre!«
Ich begann, mir ernsthafte Sorgen um meinen Meister zu machen. Seine übliche Professionalität schien mit einem Blick aus Solimas Augen verflogen zu sein. Er hatte schlicht vergessen, den Hexen mitzuteilen, daß ihn seine Behinderung davon abhielt, sich auch nur in der Nähe von Zauberei aufzuhalten, wohingegen ich wahrscheinlich der einzige Zaubererlehrling auf der Welt war, dem man nie etwas von Zauberei beigebracht hatte. Und doch erwartete man in ein paar Stunden von uns, daß wir mutig gegen den größten Spruch, der jemals gezaubert worden ist, antreten sollten.
Ein Erdbeben erschütterte unsere Hütte. Ein Riesenfuß tauchte draußen am Fenster auf.
»Fee fi fo fache! Süß ist Uxtals Rache!«
Der Magier hielt sich die Nase zu. »Nun hängt alles an uns. Hole schnell das rote Buch aus dem Reisesack und schlage es auf Seite sechsundvierzig auf!«
Ich wühlte mich so schnell es eben möglich war durch den Wust an Büchern und arkanischen Utensilien durch, bis ich endlich unter einem Kräuterbündel ein schmales rotes Büchlein fand. Ich zog es heraus und untersuchte es. Magie Einfach Gemacht war in großen Goldbuchstaben über die Deckseite gestanzt. Darunter stand in kleinerer Schrift: ›E-Z-Spruchbibliothek Band VI‹. In großer Eile schlug ich Seite sechsundvierzig auf; mein Meister nieste munter drauflos.
›VERTREIBUNG VON RIESEN‹, stand in kühnen Großbuchstaben oben auf der Seite. Es folgte eine kurze Beschreibung der Riesentypen – nach dem wenigen zu urteilen, was ich überflog, schien Uxtal ein Blauer Nordling zu sein – und drei kurze Sprüche für ihre Vertreibung.
In dem Moment riß Uxtal das Dach der Hütte herunter. Ebenezums Hände wirbelten um seinen von Niesattacken geschüttelten Körper, und ich war auf einmal in grauen Rauch eingehüllt.
»Fee fi fum fin! Wo sind die beiden Menschen hin?«
Irgendwo über uns hörte ich Uxtal. Jemand griff nach meinem Ärmel und zog daran. Ich stolperte in seine Richtung.
Dann nieste der Magier erneut, und die Rauchwolke zerstob in alle Winde.
»Fi fo fum faus! Kommt aus eurem Winkel raus!«
Der Riese griff nach uns. Ich hielt immer noch das rote Buch in meinen Händen, verlor jedoch die aufgeschlagene Seite. Wie verrückt blätterte ich; ich hätte eine Menge darum gegeben, mich an die Seite erinnern zu können.
Dann hörte ich den Gesang. Er kam aus der Eingangstür der Hütte, wo Solima, Norei und eine weißhaarige alte Frau, die ich nicht kannte, standen. Es war ein seltsamer Gesang, der sich manchmal wie ein Chor zur Erde herabgestiegener Engel anhörte, dann jedoch wieder jenen
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